Die Breznkönigin: Roman (German Edition)
und kleinen Läden der Nachbarschaft mit neuen Augen sehen. Ich gehe ein Stück, bleibe vor der Auslage der kleinen Boutique an der Ecke stehen, in dem zwei Schaufensterpuppen aufgestellt sind: eine weibliche mit einem grünen Seidenkleid und eine männliche mit einem Jackett aus Tweed. Kurz überlege ich, ob die Jacke Tino gefallen würde, traue mich dann aber doch nicht hineinzugehen. Man sieht ihm das zum Glück nicht an, aber der Tino ist ganz schön heikel mit seinen Klamotten. Etwas, das nicht optimal sitzt, würde er sich im Leben nicht kaufen. Aber ein Jackett muss optimal am Körper liegen, oder nicht? Also laufe ich lieber noch ein Stück.
Ich gehe in den Antiquitätenladen ein paar Schritte weiter und sehe mich dort ein bisschen um. Antiquitäten mögen schließlich alle. Ich nehme hier einen Aschenbecher, da Whiskygläser und dort ein altes Radio in die Hand, aber irgendwie spricht mich nichts so richtig an. Blöd, oder? Und noch blöder, dass es mir in dem Möbelladen eine Ecke weiter ganz genauso geht. Ich verharre längere Zeit vor einem kleinen Couchtisch, kann mich jedoch nicht so recht zu ihm entschließen. Na ja. Dafür kaufe ich Bülent, dem Gemüsetürken an der Ecke, einen Apfel ab, nicht für den Tino natürlich, sondern für mich. Ich poliere ihn an meiner Jeans und beiße hinein, dass es nur so spritzt. So ein frischer Apfel ist doch immer wieder der Hammer.
Mit voller Backe grüße ich die Ines, die in der Tür ihrer kleinen Bäckerei steht und sich das Treiben auf der Straße ansieht. Sie liefert uns seit einiger Zeit unser Baguette, ohne das heutzutage offenbar überhaupt nichts mehr geht. Wenn man nicht gleich mit den Speisekarten Weißbrot und Butter an den Tisch bringt, hagelt es nur so Beschwerden. Das darf ich dem Omilein gar nicht erzählen. Bei der gibt es selbstverständlich ausschließlich Steinofenbrot, und auch das nur zu Suppe, Salat und Jausenbrettl, und auf keinen Fall einfach bloß so, um sich den Bauch vollzuschlagen, bevor es etwas Ordentliches zu Essen gibt.
» Hallo, Ines!«
» Hey, Fanny!«
» Der Sommer ist wieder da!«, rufe ich ihr zu, und als hätte sie bislang noch gar nicht bemerkt, dass sie in der Sonne steht, legt sie den Kopf in den Nacken und blinzelt in den blauen Himmel.
Ach, schön.
Ich laufe weiter die Straße entlang und gelange schließlich zum Café Colette, in dem Tino und ich manchmal waren, als wir ganz frisch zusammen gewesen sind, oft auch mit Giovanni, Philippe oder Frida. Eigentlich sind wir immer gerne dort gewesen, aber dann haben wir aus irgendeinem Grund vergessen, dass der Laden existiert. Plötzlich fällt mir auf, wie vieles in Vergessenheit gerät in Berlin. Das ist dann wohl der Preis dafür, dass es im Gegenzug ständig irgendetwas Neues zu entdecken gibt.
Ich beschließe, hineinzugehen und einen Kaffee zu trinken. Vielleicht fällt mir ja im Sitzen ein, was ich dem Tino schenken könnte.
» Fanny!«, ruft Sebi, der Besitzer überrascht, als ich sein Café betrete.
» Grüß dich! Machst du mir einen Milchkaffee?«
» Klar«, sagt er. » Setz dich!«
Ich nehme an einem Tisch am Fenster Platz. Die Espressomaschine faucht und zischt und Sekunden später stellt der Sebi mir einen wunderbaren Milchkaffee mit einer herrlichen Schaumkrone hin. Ich bin froh, dass er nicht fragt, wo wir abgeblieben sind. Ich bin eigentlich ein todtreuer Mensch, der weder seine Waschmittelmarke wechselt noch sonst irgendwas. Ich sorge mich beispielsweise immer, was eine Verkäuferin denkt, wenn ich plötzlich nicht mehr in ihren Laden gehe.
» Und, wie läuft’s?«
Sebi stellt mir einen Zuckerstreuer hin und bleibt einen Moment an meinem Tisch stehen.
» Gut«, sage ich und süße meinen Kaffee. » Die Minghartinger Stuben brummen wie sonst was.«
» Ja? Das freut mich. Bei mir läuft’s im Augenblick eher mäßig.«
» Echt? Warum denn?«
» Keine Ahnung«, sagt er und zuckt mit den Schultern. » Irgendwas hat sich verändert.«
Sein Blick geht aus dem Fenster, und meine Augen folgen ihm. Gegenüber hat ein Restaurant neu aufgemacht, das ich noch gar nicht bemerkt hatte. Ein Italiener.
» Das Lokal da drüben gehört so einem Großgastronomen. Irgendeiner GmbH, die eigentlich nur Edelitaliener betreibt. Da drüben tun sie jetzt aber so, als seien sie total undergroundig und szenig.«
» Ach so?«, frage ich erstaunt. Der Italiener sieht eigentlich ganz nett aus, mit groben Holztischen und Stühlen und Industrielampen, die über den
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