Die Breznkönigin: Roman (German Edition)
Ende aber der Grund war, dass ich mir das Geschenk überhaupt leisten konnte. Denn Gold ist zurzeit beinahe unbezahlbar.
Na ja. Auf alle Fälle ist das Stück in meiner Tasche mein absolutes Meisterstück geworden. Ich hab es der Bea über Skype gezeigt, und sie sieht das ganz genauso.
Der Tino nimmt mich in den Arm und drückt mir einen Kuss auf den Schopf. Inzwischen gucken alle auf ihre Uhren und keiner mehr auf den Tino, was bei mir sofortigen Gruppenzwang auslöst. Ich hole ebenfalls mein Handy aus der Tasche und starre gebannt darauf. Man kann sagen, was man will, aber Tinos Freunde wissen, wie man Leute richtig feiert.
Noch dreißig Sekunden.
Zum Essen sind wir heute tatsächlich im Buddha’s Belly gewesen. Insgeheim hatte ich ja gehofft, dass der Tino es sich doch noch einmal anders überlegt und bei uns mit einem schönen Spanferkel feiert, aber am Ende wurde er einfach überstimmt. Und dann war es ja auch ganz lustig dort bei diesem Chinesen. Alle saßen zusammen an einem langen Tisch und alle paar Minuten kam eine Kellnerin vorbei und brachte kleine Bambuskörbchen und Tellerchen mit so Sachen wie Quallencarpaccio und Seidentofuwürfel und exotisch gewürztes Gemüse.
Na ja, also zum Essen muss man natürlich sagen: Wer’s mag, gell. Ich hab mich jedenfalls an die Dumplings gehalten, die im Prinzip zu groß geratene Ravioli mit Hackfleischfüllung sind, und an den geschmorten Schweinebauch, der so zart war, das hätte selbst das Omilein kaum besser hinbekommen.
Gut, meine Speisewahl hatte dann natürlich nicht ganz den Effekt, wegen dem wir dort hingegangen sind, nämlich den, dass man nicht gar so pappsatt und vollgefressen in die Nacht loszieht. Aber gut. Mir macht feistes Essen ja nicht so furchtbar viel. Mittlerweile (und vor allem, wenn ich mir das Au-bin-ich-voll-Gejammer mancher Mädels nach einem Hühnerflügelchen oder einer halben Banane ansehe) glaube ich ja, das ist Kopfsache. Und ein bisserl Übung.
Noch fünfzehn Sekunden.
Ich stecke meine Hand in die Tasche und fingere vorsichtig nach der Kette für Tino. Ich habe sie extra nicht in eine Schachtel oder Geschenkpapier gepackt, ich finde es irgendwie schöner, sie ihm in die Hand gleiten zu lassen, sodass er als Erstes spürt, wie filigran sie ist. Wie fein und sorgfältig geschmiedet.
Ich habe ewig gebraucht, um den Anhänger anzufertigen. Ich kann wirklich von Glück sprechen, dass Anna und Julie nicht irgendwann die Geduld verloren haben, als aus » ein paar Stunden« dann doch vier Vormittage geworden sind. Aber jetzt ist das gute Stück perfekt: eine winzige, goldene Spiegelreflexkamera mit allen Details, mit einem Knopf, den man drücken kann (natürlich ohne dass etwas passiert) und einem Objektiv zum Drehen, das sich sogar ein bisschen hinein- und herausschiebt. Sie ist makellos, ganz ehrlich. Ich freue mich schon auf die Augen, die Tino gleich machen wird.
Noch zehn.
Neun.
Acht.
Alle um mich herum haben jetzt angefangen, laut zu zählen, und ich, ich zähle mit. Der Tino steht im Mittelpunkt und freut sich wie ein Keks auf das große Hallo, das es gleich geben wird.
Sechs Sekunden.
Fünf.
Meine Hand umschließt die kleine Kamera in meinen Fingern. Ich habe immer noch Angst, sie kaputt zu machen, obwohl ich weiß, dass das gar nicht geht. Ich habe sie ganz robust konstruiert, so robust, dass er sie niemals wird abnehmen müssen.
Zwei!
Eins!
Alles jubelt, ich falle Tino um den Hals und drücke ihm einen Kuss auf die Lippen. Er drückt mich ganz fest an sich, und einen Augenblick lang taumeln wir durch Raum und Zeit, ganz fest umschlungen, als hätten wir vollkommen vergessen, wo wir uns befinden.
» Alles Gute, mein Liebster.«
» Danke, Fanny. Das wird ein gutes Jahr, da bin ich mir sicher.«
Ich lächle ihn an, und er küsst mich gleich noch einmal.
» Ich hab was für dich«, sage ich, entlasse ihn aus meiner Umarmung, mache einen Schritt zurück, bedeute ihm, seine Hand zu öffnen. Dann lege ich vorsichtig die Kette mit dem kleinen, goldenen Fotoapparat hinein und drücke seine Hand wieder zu, so dass sie das Schmuckstück wie eine Muschel umschließt.
» Was ist das?«, fragt er, öffnet die Hand wieder und beugt sich darüber. » Das ist ja …« Er nimmt die Kamera in die Finger und beäugt sie.
» Ich habe es selbst geschmiedet«, sage ich stolz. » Das Objektiv ist drehbar.«
» Wow«, sagt er.
» Soll ich es dir umhängen?«
» Vielleicht, ja …«
Er gibt mir die Kette zurück, und ich fingere
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