Die Breznkönigin: Roman (German Edition)
nach dem Verschluss, um die Kette zu öffnen, was in dem Schummerlicht der Bar gar nicht so einfach ist. Ich habe gerade den Karabiner aufgefummelt, da schiebt mich plötzlich jemand mit den Worten » Hey, wir wollen ihm auch Glück wünschen!« zur Seite.
Einfach so. Hallo?
» Hey«, beschwere ich mich noch, aber natürlich ohne dass sich die Betreffende groß darum scheren würde. Es ist die Dolores, wer sonst.
» Feliz cumpleaños, mein Lieber!«, flötet sie und fällt dem Tino in den Arm.
» Von mir auch!«
Das ist die Frida, die den Tino nun ebenfalls an sich drückt.
Und dann schwirren auf einen Schlag alle um ihn herum, wie Bienen um einen Zwetschgendatschi, der in der Sonne steht. Mich haben die Gratulanten beiseite gedrängt, sodass ich plötzlich abseits der Festgesellschaft stehe – als würde ich gar nicht richtig dazugehören.
Giovanni kommt mit einem Tablett voller Sektgläser an und drückt mir mit den Worten » Hier, Fanny, Sekt!« eines in die Hand. Dann begibt er sich ebenfalls zu den anderen und verteilt die übrigen Gläser.
Und ich habe immer noch Tinos Geschenk in der Hand.
Ich nehme einen Schluck Sekt, aber schon beim nächsten steigt mir die Säure zu sehr auf. Ich stelle das Glas irgendwo ab und starre auf das Gewusel, das sich um Tino gebildet hat, allerdings ohne wirklich hinzublicken. Ich beobachte niemanden, schaue niemanden an. Ich wende nur nicht den Blick ab.
Und dann merke ich, dass dort, wo gerade eben noch der Sekt gebrannt hat, ein Kloß anschwillt. Erst ist er nur ganz klein, ein Griesnockerl eher, aber nach einer Weile wird er ungefähr so groß wie Omileins Kartoffelknödel.
Meine Hand umkrallt immer noch den Anhänger. Er hat ihm nicht gefallen, oder?
Oder täusche ich mich?
Ich halte mir den Moment noch einmal vor Augen, als ich ihm die Kette gegeben habe. Der Tino hat Wow gesagt, das schon, und er hat gelächelt. Aber irgendwie waren seine Lippen dabei ganz hart. Sie sahen überhaupt nicht aus wie seine Lippen. Dann kam uns die Dolores in die Quere, und er schien damit überhaupt kein Problem zu haben. Und jetzt hat er immer noch kein Problem, sich erst einmal gehörig feiern zu lassen.
Mann, bin ich enttäuscht.
Ich sehe Tinos Freunden dabei zu, wie sie miteinander anstoßen, ihm ihre Geschenke überreichen, wie sie lachen und sich freuen. Die Stimmung ist so laut, dass man einzelne Geräusche gar nicht mehr wahrnimmt und es merkwürdigerweise ein bisschen so wirkt, als hätte einer der ganzen Szenerie den Ton abgedreht.
Ich bin vollkommen fehl am Platz mit meiner mühsam geschmiedeten Kette.
Ich wende mich ab und bemerke, dass jemand mich beobachtet: Der Barsnob mit der Fliege. Ich erwidere seinen Blick und überlege, ob ich mir nicht einfach einen Drink bei ihm bestellen soll und dann zu den anderen zurückgehen. Aber das bringe ich nicht über mich. Stattdessen schnappe ich mir meine Jacke von der Garderobe und gehe.
Ich laufe ein paar Meter die Straße hinab und bin schon nach wenigen Schritten am Landwehrkanal angelangt. Ich beuge mich über das Geländer und gucke in das Wasser hinab, das da unten schwarz und träge fließt.
Ich denke an Tino.
Er hat nicht einmal bemerkt, dass ich abgehauen bin.
Ich betrachte die kleine Kamera in meiner Hand, die in der Dunkelheit glänzt, als würde sie von innen heraus leuchten. Ich hätte gute Lust, sie einfach in den Kanal zu schmeißen, Ciao, auf Nimmerwiedersehen. Aber natürlich tue ich es nicht. Ich meine, das Ding ist aus Gold, und so viel Geld verdiene ich dann auch wieder nicht.
Ich komme mir vor wie eine riesige Idiotin, als hätte ich irgendetwas zutiefst Falsches getan – aber leider habe ich keine Ahnung, was. Hätte ich ihm mein Geschenk nicht gleich geben sollen? Aber das ist doch auch Blödsinn, oder? Ich habe mich so darauf gefreut, es ihm zu überreichen. Ich bin doch seine Freundin!
Ich umschließe die Kamera mit der Faust, lege den Kopf in den Nacken und blicke in den Nachthimmel, in dem man, obwohl keine Wolke darin steht, fast keine Sterne sieht. Nur ein Flugzeug zieht in der Ferne vorüber.
Mit einem Mal höre ich Schritte, die sich immer schneller nähern.
» Fanny? Fanny!«
Ich schließe die Augen. Es ist Tino.
Ich drehe mich nicht um.
» Fanny!«
Jetzt hat er mich erreicht und berührt meine Schulter.
» Fanny, wo bist du denn hin?«
Ich wende mich ihm zu und merke, dass mir Tränen in den Augen stehen, ohne zu wissen, wo die so plötzlich hergekommen sind.
» Ach, Fanny,
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