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Die Breznkönigin: Roman (German Edition)

Die Breznkönigin: Roman (German Edition)

Titel: Die Breznkönigin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Sternberg
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mich, in New York nicht und in München nicht, und in Bad Tölz leider auch nicht.
    Wie immer, wenn ich Trost suche, wandert meine Hand hinauf zu meinem Dekolleté und umfasst den Anhänger, der dort an einer Halskette hängt. Er ist aus billigem 925er Silber, und doch ist er unglaublich wertvoll für mich. Er war eines der ersten Stücke, die ich in meiner Ausbildung selbst entworfen und realisiert habe. Es ist ein ganz schlicht gefasster, ungeschliffener Rohdiamant. Er sieht von außen grün-gräulich und unförmig aus, fast hässlich, und nur, wer sich auskennt, kann ahnen, was in seinem Innern schlummert, was zum Vorschein kommen würde, wenn man ihn aus seiner Kapsel befreien und schleifen würde. Die anderen haben mich für verrückt erklärt, als ich ihnen den Anhänger gezeigt habe. Wie ich nur auf die Idee käme, ausgerechnet einen Diamanten zu verwenden, dem man gar nicht ansieht, dass er einer ist? Aber ich fand, dass doch genau so das Leben ist. Die allergrößten Schätze findet man ja auch immer dort, wo man sie überhaupt nicht vermutet – und die wertvollsten Menschen ohnehin. Das Omilein zum Beispiel: von außen Dörrobst, aber innen ein Herz von einem Menschen und quietschfidel. Oder meine beste Freundin: Dass ich die in einem Derbolfinger Plattenbau finden würde, hätte auch keiner gedacht.
    Ich habe so viel ungewöhnlichen Schmuck gemacht. Ohrringe in der Form kleiner, goldener Papierschiffchen. Ketten, die aussahen, als bestünden sie aus winzigen Vergissmeinnicht-Blüten. Eine winzige Kassette als Kettenanhänger, inklusive Tonband und drehbarer Bandwickel.
    Ich war einmal so kreativ. Und jetzt? Jetzt bin ich nur noch Kellnerin.
    Ich stolpere ins Bad und lasse auf dem Weg dorthin meine Klamotten auf den Boden gleiten. Dann stelle ich mich unter die Dusche. Ich drehe den Hahn ganz auf und spüre, wie mir das heiße Wasser über den Nacken rinnt. Die Kette nehme ich nie ab, auch jetzt nicht.
    Ich greife zum Duschgel und seife mich ein, wasche mir die Haare, obwohl ich das heute Morgen schon einmal getan habe. Doch dann, plötzlich, drehe ich, statt mein Ritual wie sonst ewig hinauszuzögern, das Wasser wieder ab und mache mich fertig.
    Nicht einmal träumen mag ich noch, so entmutigt bin ich.
    Es ist halb sechs, als ich die knarrende Treppe hinunter zum Gasthaus tapse. Mein Gespräch mit Bea klingt immer noch nach, aber schon bald läuft das Abendgeschäft, und wie immer am Bratwursttag füllt sich unser Lokal wie nichts.
    Mingharting ist ein putziges Örtchen, so klein, dass man sich nicht einmal die Absätze neu besohlen lassen kann, ohne dass sich irgendeiner dazu äußert. Fünfhundert Einwohner, vier Vereine (Schützen-, Burschen-, Fußballverein und Schafkopf-Club), weiß getünchte Häuser mit Geranien vorm Balkon und grün lackierten Fensterläden. Aber am Bratwursttag kommt nicht nur das Dorf, sondern der halbe Landkreis – Großeltern, Enkel, Kinder, eine Geburtstagsrunde, Gemeindebeamte, Ärzte, Bauern. Ich muss mich so sehr beeilen, mit dem Servieren nachzukommen, dass mein Kummer in den Hintergrund rückt. Ich trage Teller um Teller zu den Tischen, zapfe Spezi und Wasser und Bier, kassiere und gebe Zigarettengeld raus, und als der Brunner Adi ein Spassettl über das Trinkverhalten unseres Bürgermeisters macht, da lache ich schon wieder.
    Auch das ist etwas, was du als Wirtstochter lernst: Du musst den Kopf immer so schnell wie möglich wieder über Wasser kriegen.
    Zwischendurch schaut der Papa vorbei, um sich eine Halbe und zwei Bratwürstel zu holen, die ihm das Omilein mit einem Klacks Develey-Senf und etwas Kraut in eine aufgeschnittene Semmel drückt, und mit denen er gleich wieder in der Scheune verschwindet. Kurze Zeit später huscht die kleine Mercedes herein und will ebenfalls zwei von Omis Spezial-Hotdogs: einen für sich und einen für ihre Mami, und für die gleich noch eine Radler-Halbe. Später dann, als nur noch ein paar Leute vom Gemeinderat am Stammtisch sitzen, flattert auch noch die Mama vorbei, die festgestellt hat, dass sie es ohne Abendessen doch nicht aushält und sich nur noch schnell einen Salat mit Putenstreifen mit nach oben nehmen will, flankiert von einer schön eingeschenkten leichten Weißen. Die Omi grummelt, denn Frauen auf Diät sind ihr ein Graus, erst recht am Bratwursttag. Wer nicht essen kann, kann auch nicht lieben, da ist sie sich sicher – eine Regel, die sie durch die Mama direkt bestätigt findet. Was dann doch wieder ein bisschen

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