Die Breznkönigin: Roman (German Edition)
esse gemächlich und sehe währenddessen der Kellnerin zu, die mit hastigen Schritten aus der Küche raus- und wieder reinmarschiert. Auf den ersten Blick sieht sie aus wie all die anderen Servicekräfte hier: jung und gestresst und in ein billiges Dirndl gezwängt, das aussieht wie eine lieblos zusammengeschneiderte Faschingsrequisite. Aber wenn man die Frau ein bisschen genauer ansieht, merkt man, wie wahnsinnig hübsch sie eigentlich ist. Sie hat einen langen, schönen Hals, der elegant aus ihrer Dirndlbluse herauswächst, ein liebes Gesicht und warme, volle Lippen, die Männer sicher gerne küssen.
Ob sie wohl einen Freund hat? Ich meine, einen, der sie wirklich liebt?
Ich hab das den ganzen Vormittag lang erfolgreich verdrängt, aber plötzlich bin ich in Gedanken wieder ganz beim Tino, und natürlich auch bei der Kette im Badezimmerschränkchen. Ich hab das Gefühl, dass irgendetwas zwischen uns kaputtgegangen ist. Nicht nur durch die Kette, sondern vorher schon, aber ich könnte gar nicht genau sagen, wann. Oder hatte unsere Beziehung von Anfang an einen Knacks? Die Sache mit seinen Freunden, zum Beispiel, war die nicht schon immer ein bisschen komisch? Ich meine, ich hab immer versucht, da großzügig zu sein und keine Eifersucht hochkommen zu lassen. Aber ist es nicht sonderbar, wenn ein Mann so sehr an seiner Clique dranhängt und kaum Interesse daran hat, sich mal einen ruhigen Abend nur mit seiner Freundin zu machen? Logisch, es ist ja gut, dass er Freunde hat, und dass er sich mit denen amüsieren kann, endlich, das hat er sich doch verdient. Aber trotzdem … wo bin ich eigentlich die ganze Zeit geblieben?
Ein bisschen war ich immer nur sein Anhang, oder?
Irgendwie schon. Auch, wenn es mir schwerfällt, das zuzugeben.
Und was bedeutet das jetzt letztendlich? Wäre das am Ende ein Grund, sich von ihm zu trennen? Wegen einer liegen gelassenen Kette?
Und vielleicht täusche ich mich ja auch. Vielleicht höre ich zu oft auf mein Bauchgefühl. Klar, normalerweise trügt es mich nicht, aber man stelle sich einmal vor, es würden alle immer nur intuitiv entscheiden, die Bundeskanzlerin zum Beispiel. Das gäbe eine Schlagzeile: Merkel entlässt Außenminister wegen komischem Bauchgefühl. Völlig undenkbar, oder?
Andererseits würde sie ihn ja auch nicht ernennen, bloß weil er am Anfang so ein lieber Kerl gewesen ist.
Ich sehe immer noch der Kellnerin hinterher. Haben andere auch solche Probleme?
Bestimmt.
Bestimmt nicht.
Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass irgendjemand auf der Welt schon mal so enttäuscht und traurig war wie ich.
Ich muss die Kellnerin in Gedanken wohl ganz schön blöd angestiert haben, denn als sie das nächste Mal an meinem Tisch vorbeikommt, fragt sie mich, ob ich die Rechnung möchte. Ich nicke perplex, dabei habe ich zwar aufgegessen, aber noch gar nicht daran gedacht zu gehen. Sekunden später habe ich bereits den Bon vor mir. Also suche ich das Geld in meiner Börse zusammen und warte darauf, dass die Kellnerin zurückkommt. Aber leider kommt sie nicht.
Nicht sie.
Sondern – ja Jessas Maria, was macht der denn hier?
Aus einer Tür neben dem Zugang zur Küche tritt ein Mann um die fünfzig, mit Jürgen-Drews-Frisur, schneeweißem Anzug und einem Teint wie frisch aus der Bräunungsdusche gehüpft. Und an seiner Seite: der Quirin.
» Quirin«, rufe ich überrascht und völlig unvermittelt aus.
Der zuckt zusammen und blickt nervös um sich.
» Quirin, hier!«
Ich winke ihm zu, und dann sieht er mich endlich. Er schaut immer noch wahnsinnig erschrocken aus, drum lächle ich ihn aufmunternd an.
» Was machst denn du da herin?«, frage ich ihn amüsiert, weil dies sicher der letzte Ort auf der Welt ist, an dem man jemanden wie ihn vermuten würde. Ich meine, das hier ist doch wirklich das Gegenteil von hip.
» Dasselbe könnte ich dich fragen«, sagt er und wirft einen angewiderten Blick auf die Tüten, die auf der Bank neben mir liegen – Esprit, Tally Weijl, Bijoux Brigitte. Er guckt so irritiert, dass ich mir die Auskunft darüber, wo ich gewesen bin, spare und stattdessen lapidar sage:
» Ich musste ein paar Besorgungen machen. Und du?«
Der Quirin guckt total komisch, als sei es eine absolute Zumutung, ihm so banale Fragen zu stellen.
» Fanny, sorry. Ich muss echt weiter.«
» Ich wollte auch gerade gehen«, sage ich, schmeiße das Geld auf den Tisch und nehme meine Jacke. Der Quirin ist bereits vorausgeeilt, und ich pese ihm hinterher. Himmel,
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