Die Breznkönigin: Roman (German Edition)
was hat der’s denn so eilig?
» Quirin? Fährst du nach Kreuzberg? Warte!«
Der Quirin bleibt stehen und sieht mich entnervt an.
» Fanny …«, sagt er, aber dann lenkt er doch noch ein. » Na gut, okay. Komm mit.«
» Super!«
Erfreut stopfe ich die Einkäufe in meine Handtasche, die zum Glück groß genug für all die Tüten ist. Ich habe mich ja schon immer gefragt, was Frauen mit Handtaschen wollen, in die gerade mal ihr Handy passt. Ich trage immer wahnsinnig viel mit mir herum: Zeitschriften, Hustenbonbons, Geld, Schlüssel, Wasserflasche, Taschentücher … Oh, der Quirin geht schon durch die Tür. Beeilung!
Mein Chef stapft voraus, ich hinterher. Er scheint irgendwie schlechte Laune zu haben, denn normalerweise redet er immer, egal mit wem. Er steuert auf seinen Mercedes zu, steigt ein, und ich lasse mich auf den Beifahrersitz fallen. Sekunden später prescht er aus seiner Parklücke hinaus und wendet mit quietschenden Reifen.
Ich sehe ihn erstaunt an, sage aber nichts. Er wirkt so abwesend, dass mir kein Thema einfällt, dabei gäbe es ganz sicher etwas zu bereden.
Schweigend fahren wir immer geradeaus. Wir überqueren die Spree an der Jannowitzbrücke, dann kommen wir nach Kreuzberg.
» Wohin willst du noch mal?«, fragt der Quirin.
» Ins Wirtshaus. Ist ja gleich Schichtbeginn.«
» Ach so, ja. Entschuldige«, sagt er und biegt links ab.
Inzwischen bin ich überzeugt, dass er gar nicht schlecht gelaunt ist, sondern Ärger hat. Wenn Quirin nur sauer ist, ist er spitzfindig und schlagfertig, aber nicht so unkonzentriert wie jetzt im Augenblick.
» Sag mal, beschäftigt dich irgendwas?«, frage ich, und versuche, freundlich und nicht zu aufdringlich zu klingen.
Quirin fährt weiter geradeaus, setzt den Blinker, biegt rechts ab.
» Quirin?«
Inzwischen fahren wir die Köpenicker Straße hoch. Gleich sind wir beim Wirtshaus.
» Quirin!«, sage ich, und stupse ihn leicht an.
Erschrocken hebt er den Kopf.
» Was?«
» Nichts«, sage ich, weil wir jetzt eh schon fast da sind. » Da vorne ist ein Parkplatz.«
23
Als ich in T-Shirt und Schürze aus dem Personalraum komme, hat sich der Quirin bereits im Büro eingebunkert, sodass ich überhaupt keine Gelegenheit mehr habe, ihn doch noch zur Rede zu stellen. Aber gut, vielleicht ist das ja auch besser so, man soll seine Nase schließlich nicht überall reinstecken. Vielleicht hat er ja einfach bloß Ärger mit der Jella. Aber was er mit diesem Strizzi aus dem Hofbräuhaus zu tun hatte, das tät ich schon gern wissen.
Weil die Bude heute jedoch echt am Brennen ist, hab ich den Quirin schnell wieder vergessen. Wir sind vollkommen ausgebucht, die meisten Tische sogar in zwei Schichten, einmal von halb sieben bis neun und einmal von neun bis open end. Und dann, als gäbe es keinen besseren Tag dafür, meldet sich in letzter Minute auch noch die Luisa krank, was bedeutet, dass die Lara und ich den Service alleine stemmen dürfen. Noch dazu haben wir heute diese Geburtstagsgesellschaft, die sich am Ende als etwas ganz anderes entpuppt, nämlich als das zwanzigjährige Jubiläum eines Paares, das in ganz großer Runde gefeiert wird. Über so viel Liebesglück bin ich aus nachvollziehbaren Gründen im ersten Moment nicht so wahnsinnig begeistert, aber dann sind die beiden Jubilare so furchtbar allerliebst und süß, dass einem schier das Herz aufgeht. Die beiden sind irgendwann in den späten Achtzigern, ohne sich zu kennen, aus benachbarten schwäbischen Dörfern nach Berlin gegangen – er, um um den Wehrdienst herumzukommen, sie, um Soziologie zu studieren. Irgendwann sind sich die zwei dann in Kreuzberg über den Weg gelaufen und haben sich sofort ineinander verliebt. Zack, schlagartig. Geheiratet haben die beiden nie und Kinder bekommen auch nicht. Und irgendwie merkt man das den beiden an: dass sie nie Eltern waren, sondern immer ein Liebespaar geblieben sind. Den ganzen Abend über himmeln sie sich an, busseln herum und füttern sich mit Spanferkel und kleinen Knödelstückchen, dass es eine wahre Freude ist.
Auf alle Fälle haben die Lara und ich ganz schön zu tun, zu zweit kommen wir kaum hinterher mit dem Servieren, zumal die Jubiläumsrunde solche Mengen an Bier verdrückt, dass es mich fast an die Stammtischler daheim in Mingharting erinnert. Erst gegen Mitternacht lichtet sich die Menge langsam, und die Jungs können anfangen, die Küche zu schließen. Als dann um kurz nach eins nur noch am Jubiläumstisch ein paar Hanseln über ihren
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