Die Breznkönigin: Roman (German Edition)
im Wirtshaus Ungewöhnliches im Gange ist, und hat sein Exil in der Scheune verlassen, um zu sehen, wer der Pfundskerl ist, der sich da so inbrünstig seinem Hausgebrannten widmet. Jetzt serviert er Quirin Eichelmann höchstpersönlich den nächsten Schnaps, den zwölften, meine ich, aber vielleicht hab ich mich auch verzählt. Und, wer hätte das gedacht: Er benutzt sogar ein Tablett dafür. Plötzlich.
Hab ich doch schon immer vermutet. Wenn er nur wollen tät, tät das mit dem Servieren schon gehen.
Die Stammtischler sind inzwischen so betrunken, dass sie sich kollektiv entscheiden zu gehen, ganz kleinlaut und ohne das Trara, mit dem sie sich sonst immer verabschieden.
Nur der Gschwendtner Toni hebt den Hut: » Habe die Ehre«, sagt er leise, aber auch das klingt ganz vernuschelt.
Dann sind wir allein, der Papa, der Eichelmann und ich. Das Omilein klappert noch ein bisschen in der Küche vor sich hin, wahrscheinlich stinksauer wie immer, wenn Gäste vergessen, wo ihr Zuhause ist. Für sie als Wirtin ist es Ehrensache, erst ins Bett zu gehen, wenn sich auch der letzte Gast auf den Heimweg gemacht hat, ganz egal, wie müde sie ist. Ich würde auch gern langsam mal Heia machen, aber dieser Eichelmann ist einfach nicht totzukriegen.
» Was isssn diss jetz?«, fragt er, als der Papa ihm das Glas hinstellt. Immerhin, wenigstens ist seine Zunge inzwischen müde.
» Preiselbeergeist«, sagt der Papa und lässt sich neben ihm auf die Bank fallen.
» Auch von dir?«, fragt der Eichelmann erstaunt.
» Sowieso«, sagt der Papa stolz und schwenkt den Brand in seinem Gläschen.
Ich hab übrigens nicht mitbekommen, wann die beiden beim Du gelandet sind, und ich fürchte, dass sie es selber auch nicht wissen. Der Papa hat bereits mehr als ein Schnäpschen mitgezwitschert, natürlich ausschließlich aus Verkostungsgründen. Überhaupt trinkt der Papa seine Brände quasi nie, allenfalls hin und wieder, um die Qualität zu sichern. Sagt er. Heute schien er sich bezüglich der Qualität nicht so recht sicher gewesen zu sein, zumindest leuchtet seine Nase eher rötlich.
Der Eichelmann schnuppert, der Papa tut’s ihm nach.
» Irrsinnig gut«, murmelt Eichelmann in sein Schnapsglas hinein, dann wirft er den Kopf in den Nacken und trinkt.
» Boah«, macht er und wischt sich mit dem Handrücken den Mund ab.
» Könnt ihr nicht nach Berlin ziehen alle zusammen? Ich meine, ich gehe echt viel essen und war schon in vielen Lokalen, nicht nur hier in Bayern, sondern überall auf der Welt. Aber so etwas unglaublich … äh … Unglaubliches wie dieser Laden hier«, er zeigt mit dem Finger in der Gaststube herum, » hab ich echt noch nie erlebt. Diese Lampen! Und diese Holztische!«
Er haut mit der Faust darauf, dass die Gläser klirren.
Der Papa lacht geschmeichelt, was mich fast ein bisschen amüsiert, denn weder ist er einer, der sich gern Honig ums Maul schmieren lässt, noch einer, der sich bei anderen anbiedert. Aber die Begeisterung, mit der dieser Eichelmann von unserem kleinen Wirtshaus schwärmt, ist so ansteckend, dass sie sogar auf mich überspringt – und das, obwohl ich überhaupt nicht im Fokus seines Interesses stehe. Je ausführlicher er die Minghartinger Stuben lobt, desto besser gefallen sie auch mir, und für einen Augenblick bin ich richtig stolz darauf. Als ich zwischendurch die umliegenden Tische abwische, die Stühle zurechtrücke und die Tonkrüge auf den Tischen mit Besteck auffüllte, fühle ich mich fast so, als würde ich gerade etwas ganz anderes machen, irgendetwas, das viel cooler ist.
» Jella hat sie doch nicht mehr alle«, sagt der Eichelmann aus heiterem Himmel und sieht sich kopfschüttelnd in der Gaststube um.
» Is des dein Weibi?«, fragt der Papa jovial. Offensichtlich wittert er die Chance, die Beziehung zu seinem Fan aus der Fremde zu intensivieren.
» Meine Frau«, sagt Eichelmann und versieht ihn mit einem verständnislosen Blick. » Sie ist abgereist, weil ihr die bayerische Küche zu schwer ist.«
» Aber einen Salat bekommt sie hier doch auch«, werfe ich ein.
» Salat mit Putenstreifen«, ergänzt der Papa.
» Ja, mit in Butter gebratenen Putenstreifen, und mit Kartoffelsalat und öligem Dressing! Jella hat eine Gabel davon genommen und dann den Rest des Abends nicht mehr mit mir geredet!«
Eichelmann schaut verzweifelt, aber das ist natürlich nur allzu verständlich. Plötzlich habe ich ziemlich genau vor Augen, wie so eine Berlinerin aussehen muss, die einen Urlaub
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