Die Breznkönigin: Roman (German Edition)
der Theke«, sage ich schnell und schiebe mir das letzte Stück Wurst in den Rachen. Es ist eigentlich viel zu groß, um es in einem Haps zu essen, aber irgendwie wird mir das Gespräch langsam unangenehm. Ich spüre, dass wir hier eigentlich gerade über etwas anderes reden als über regionale Spezialitäten – wir reden über mich. Über mich in Bayern. Und mich in Berlin. Viel umständlicher als nötig kaue ich herunter und wische mir mit der Serviette über die Lippen.
Der Max scheint zu merken, dass ich über das Thema nicht reden will, denn er steht auf und nimmt unsere Teller.
» Guad, dann räum ich mal die Spülmaschine aus«, sagt er knapp.
» Okay«, sage ich.
Er steht auf und verschwindet in der Küche. Wenig später höre ich ihn mit Geschirr hantieren. Hoffentlich ist er nicht sauer, dass ich ihm eben so ausgewichen bin.
Ich hole einen Lappen, wische unseren Tisch ab und bringe unsere leeren Gläser zur Spüle. Dann stelle ich mich in die offene Küchentür und sehe Max dabei zu, wie er Stapel sauberer Teller und Schüsseln in die Schränke hievt. Man merkt wirklich an keiner Bewegung, dass er erst seit zwei oder drei Wochen bei uns ist. Es ist, als wäre er hier zu Hause. Das ist einerseits sonderbar, denn er ist ja irgendwie doch ein bisschen ein Fremder – ich war vermutlich ein Teenie, als ich das letzte Mal mit ihm in dieser Küche gestanden bin. Aber andererseits hat es auch etwas Beruhigendes. Irgendwie überträgt sich seine Sicherheit auf mich.
Max beugt sich wieder zur Maschine runter, holt eine letzte Suppenterrine heraus und stellt sie zu den anderen Schüsseln in den Schrank. Dann bückt er sich noch einmal und greift sich mit beiden Händen ein ganzes Bündel Messer und Gabeln.
» Gib her«, sage ich und gehe zu ihm hin. » Die bring ich schnell nach nebenan.«
» Au, gern«, sagt er.
Ich strecke die Hände aus und er reicht mir das glänzende Besteck wie einen viel zu dicken Strauß Blumen, oder wie einen Packen Spargel, wenn man’s lieber so sehen will. Aber irgendwie bin ich unachtsam oder eben doch noch nicht wieder völlig auf dem Damm, vielleicht sind auch einfach nur meine Hände zu klein. Auf alle Fälle greife ich nicht richtig zu, und das ganze Bündel scheppert zu Boden.
» Scheiße«, sage ich.
» Scheiße«, sagt der Max.
Wir gehen in die Knie, beide gleichzeitig und fangen in verschiedenen Ecken an, das Besteck aufzusammeln, das sich in der halben Küche bis unter die Schränke verteilt hat. Plötzlich muss ich daran denken, wie wir als Kinder mal zusammen ein Haus gebaut haben, aus irgendwelchen Holzabfällen aus der Werkstatt seines Vaters. Eigentlich war es ein Puppenhaus, mit Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche und Kamin, und am Ende war es vor allem ich, die damit gespielt hat. Aber das Basteln des Hauses ist unser gemeinsames Projekt gewesen, wahrscheinlich hatte er sogar mehr Freude daran als ich. Damals haben wir Stunden nebeneinander auf dem Boden hockend verbracht, hämmernd, sägend, klebend, na ja, wir waren eben immer schon ein gutes Team. Wir sind irrsinnig stolz auf unser Werk gewesen.
Was wohl damit passiert ist? Stimmt, irgendwann hab ich es einfach auf den Sperrmüll geschmissen. Ich bin ja nie so der mädchenhafte Typ gewesen, und als ich dann in die Pubertät kam, wollte ich sichergehen, dass ich wenn ich schon nicht so richtig zur Frau werden würde, wenigstens auch kein Kind mehr bin.
Wie doof von mir, oder?
Der Max und ich haben mittlerweile fast alles eingesammelt, nur der Haufen in der Mitte ist noch da, dort, wo ich das Bündel habe fallen lassen. Gemeinsam beugen wir uns darüber. Und weil meine Hände inzwischen so voll sind, dass ich jedes Mal, wenn ich ein Besteckteil aufhebe, ein paar andere fallen lasse, sagt er » gib her«, und nimmt mir etwas von meinem Besteck ab.
In dem Augenblick öffnet sich hinter mir die Küchentür, und jemand sagt meinen Namen.
Fuck.
Ich lasse vor Schreck ein paar Gabeln fallen. Ich kenne diese Stimme. Sehr gut sogar.
28
Langsam, viel langsamer als nötig, drehe ich mich um. In der geöffneten Küchentür steht der Tino.
Oha.
» Was macht ihr denn da?«, fragt er und blickt verstört auf uns hernieder.
» Was?«, frage ich, relativ verwirrt, denn ich hab keine Ahnung, was er meinen könnte. Doch schon in der nächsten Sekunde wird mir klar, was wir für einen Anblick bieten. Klar, wir haben die Hände voller Besteck, aber wir hocken gefährlich nah beieinander. So nah, dass wir das Besteck nur
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