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Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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zurück zum Fenster! Ein Blick: Auf dem Hof war alles ruhig. Zitternd schmiegte sich Catherine in die Decke. Wie wohl das tat, die Wärme, das Hineinkuscheln.
    Es wurde Tag hinter den Wolkenhaufen. Die Luft, die in die Küche hereinwehte, war naß, sie trug feine Tropfen mit sich. Wasser sammelte sich auf Catherines Stirn und Wangen.
    Auf dem Brunnenrand stäubte eine Amsel die Feuchtigkeit aus ihrem Gefieder. Stumm schlichen die ersten Menschen über den Hof. Eine Magd fütterte die Hühner, der Pferdeknecht |267| trat an den Brunnen, die Amsel floh vor ihm. Er kurbelte Wasser herauf, um die Rosse zu tränken. Graue, braune, rote und schwarze Pferde waren vor dem Stall angebunden; offenbar reichte er nicht mehr aus, sie alle unterzustellen. Warum war die Burg so überfüllt?
    Die Halle über der Kanzlei wurde gefegt, aus den breiten Fensterbögen scholl das Fauchen der Besen. Männer quollen aus der Tür des Fachwerkhauses, als würden sie von den Besen herausgeschoben. Die schmalen Luken der Kanzlei im Untergeschoß dampften.
    Man brachte große Tischbretter zum Halleneingang. Ein Schmied und sein Gehilfe schleppten einen Amboß auf den Hof. Endlich öffnete sich die Tür des Herrenturms. Thomas Latimer trat heraus, streckte sich, rieb sich verschlafen das Gesicht. Einige Knöpfe seiner Schecke standen offen. Der Haarschopf sah aus wie das aufgeplusterte Gefieder der Amsel, die auf dem Brunnenrand gesessen hatte. Er ist einfach ein Mann, dachte Catherine. Ein Ritter ist er zwar, aber zugleich ist er ein Mann, wie es Tausende gibt.
    Sir Latimer überquerte den Hof und löste noch vor dem Abort den Gürtel. Die Schecke war modisch geschnitten, sie berührte das Hinterteil nur und überließ den roten Strumpfhosen, es zu bedecken.
    Im stillen nannte sie ihn Thomas. Es bereitete ihr Vergnügen, den einflußreichen Ritter in Gedanken einfach beim Vornamen zu nennen. Er würde sich zum Recken verwandeln, gerüstet, herrisch. Im Augenblick aber war er Thomas, der noch nicht ganz erwacht war.
    Sligh fiel ihr ein. Sie stand auf. Die Decke ließ sie zurück. Vor dem Abort wartete sie. Als Thomas ihn verließ, Thomas, der einfache Mann in roten Strumpfhosen und enger, unvollkommen geknöpfter Schecke, trat sie ihm in den Weg. »Sir Latimer, ich muß Euch sprechen.«
    Er runzelte die Stirn. »Dein Anliegen wird Zeit haben bis nach dem Frühstück.« Er wollte sie passieren.
    »Doktor Hereford ist in Gefahr«, sagte sie rasch.
    |268| Und tatsächlich, der Ritter blieb stehen. Er durchbohrte sie mit seinen hellen Augen.
    »Courtenay lauert am Wegrand.«
    »Woher hast du das?«
    Ich selbst habe ihn verraten, dachte sie, und für einige Augenblicke erdrückte sie dieser Gedanke. »Bitte, vertraut mir! Ihr müßt den Doktor warnen.«
    »Hat dich Elias eingeweiht, bevor er starb? Du solltest den Namen Hereford überhaupt nicht kennen.«
    »Handelt rasch, Herr Ritter, sonst ist er verloren!«
    Der Wind fuhr Thomas Latimer durch die kurzgeschnittenen Haare. Er sah jung aus an diesem Morgen. Mit drei großen Schritten war er bei einem Knappen, der beim Tränken der Pferde half. »Junge, kannst du reiten?«
    »Natürlich, Sir Latimer.«
    »Reitest du gut?«
    Der Halbwüchsige strahlte. »Ich reite sehr gut, Ihr könnt Euch erkundigen. Ich übertreibe nicht.«
    »Nimm den Rappen dort. Es bleibt keine Zeit mehr, ihn zu satteln. Ich will, daß du die Straße nach Süden nimmst, im Galopp, hörst du? Du kennst Doktor Hereford?«
    »Einmal hörte ich ihn predigen.«
    »Du wirst auf ihn treffen. Sage ihm, er befindet sich in Gefahr und soll sofort kehrtmachen. Sofort! Bei Sir John Montagu soll er Unterschlupf nehmen, bis ich wieder Nachricht gebe.«
    »Ich verstehe, Herr Ritter.« Die Stimme des Knappen zitterte. Er eilte zum Rappen, löste den Führstrick vom schmiedeeisernen Ring an der Stallwand. Während er aufsaß, steuerte Thomas Latimer auf einen der Türme zu. Catherine folgte ihm. Sie eilten die Treppe hinauf.
    Unten quietschten die Angeln des Tores. Hufgetrappel. Auf der Turmplattform spähte Catherine vorsichtig neben Sir Latimer über die Brüstung und sah dem Knappen nach, der entlang der Karpfenbecken preschte. Die Hufe stießen Staubwolken auf. Dort, das letzte Becken, freie Straße. Da ließ er |269| das Halfter los und riß die Arme in die Höhe. Er stürzte vom Pferd, er überschlug sich. Reglos blieb er liegen. Der Rappe hielt ein Stück die Straße hinauf an und stand mit hängendem Führstrick, unschlüssig. Langsam

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