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Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Gegenseite?«
    »Meinst du, Cheyne hätte seine Braut geopfert, um mich zu täuschen? Niemals. Gefahr droht nicht von Catherine, Gefahr droht von Nevill. Wie hast du ihm das Geheimnis entlockt? Ahnt er, wohin du die Nachricht trägst?«
    »Er ahnt überhaupt nichts. Er vertraut mir völlig.«
    »Wie hast du dir sein Vertrauen erschlichen? Du hast doch einen Preis gezahlt!« Oh, es war schlimmer, als er gedacht hatte. Dieser Trampel!
    »Ich habe ihm Ritter herangeschafft, die mit den Lehren Wycliffes sympathisieren.«
    »Bist du des Wahnsinns?« Er fühlte sich, als platzten ihm die Augen aus den Stirnhöhlen.
    »Früher oder später wären sie ihm sowieso zugelaufen. Die Bedeckten Ritter bereiten sich auf eine Schlacht vor, Courtenay. Sie sammeln ein Heer von Rittern, Lanzenknechten, Bogenschützen, Armbrustern.«
    |260| »Deine Scherze sind erbärmlich.«
    »Kein Scherz. Es ist die blanke, schreckliche Wahrheit.«
    Er hatte das Bedürfnis, sich zu setzen. Sligh saß auf dem einzigen Stuhl. So nahm er auf einer der Kisten Platz und ließ den Kopf auf die Brust sinken. Ruhig, Courtenay, sagte er sich. Du bist ihnen allen überlegen. Nur vorschnell darfst du nicht handeln, du mußt bedacht vorgehen, das war immer deine Stärke, so bist du der Beste geworden. »Also ist es Zeit für das Ende? Gut. Die Bedeckten Ritter sollen verschwinden. Sie werden in diesen Tagen untergehen. Nimm dir zwei Männer, schaffe das Weib nach Braybrooke. Bleibe bei Latimer. Wenn es schiefgeht und Hereford uns entwischt, schnappst du ihn dir hinter den feindlichen Linien. Sobald wir Hereford haben, bricht das Gericht über Braybrooke herein. Im Notfall«, er rieb sich den Nacken, »im Notfall soll die Brillenmacherin, die hübsche Schlange, noch einmal beißen. Laß sie leben, bis der Sieg sicher ist.«
     
    Inmitten der Ladung saß sie, die prallgefüllten Säcke dienten ihr als Bank. Sprang der Wagen über eine Wurzel, dann schlug sie mit dem Gesäß auf; das Korn knirschte, ohne nachzugeben. Hinten war ein Käfig am Wagen festgezurrt. Drei Hühner reckten die Hälse heraus. Alles Flügelschlagen nützte nichts, die knorrigen Käfigstreben hielten, bald sahen die Hühner es ein. Sie pickten nach Körnern, Fliehen oder Fressen, an anderes konnten sie nicht denken.
    Catherine begutachtete die Männer. Zwei von ihnen saßen auf dem Bock und lenkten die Pferde, der dritte lag ihr gegenüber auf den Säcken ausgestreckt. Er kaute auf einem Strohhalm, sah schweigsam in den Himmel hinauf, bald würden ihm die Augen zufallen. Würden die Männer sie verfolgen, wenn sie vom Wagen sprang und floh? Es schien ihr unwahrscheinlich.
    Hawisia seufzte wie eine Erwachsene, die Sorgen bedrücken. Ihre Stirn rührte heiß an Catherines Hals. Immer noch roch das Kind nach Eiter, aber es war ein neuer Geruch dazugekommen, |261| säuerlich. Die Windel? Catherine legte die Kleine auf den Rücken und wickelte das Tuch ab. Ein gelber, senfartiger Brei klebte an Hawisias Beinen und am hellen Tuch. Wo sollte sie Windeln sauberkochen auf der Flucht?
    Sie wischte das Kind sauber mit den Zipfeln der Windel, dann zog sie sie unter ihm hervor und legte sie mit einer Hand zusammen, während sie mit der anderen die Kleine an den Fersen hielt. Aus ihrem Bündel fischte sie ein sauberes Tuch heraus. Sie wand es um Hawisias Unterleib. Blieben noch zwei Tücher. »Na, das fühlt sich doch gleich besser an, mein Mäuschen.«
    Der Faulpelz setzte sich auf. Er beobachtete Catherines Handgriffe. »William Sligh«, sagte er, und sah sie dabei an, als erwarte er etwas.
    Und wirklich, Catherines Nase und Wangen kühlten sich ab, ihre Knie wurden zu Butter, die Arme zu Mus. Sie brachte alle Kraft auf, die sie besaß, um weiterzumachen. Er ist es nicht! sagte sie sich. Mach weiter! Sie wußte, er war es. Deshalb mußte sie weitermachen, wenn er erriet, daß sie ihn erkannte, würde sie diese Fahrt nicht lebend beenden.
    »Können einiges scheißen, die Kleinen, was?«
    Das heisere Poltern, unverkennbar, die Stimme des Mörders. Sie brauchte Zeit, sich zu beruhigen. Sie mußte ihn hinhalten. Sie mußte wieder Herrin ihrer selbst werden, rasch. »Ist krank«, hauchte Catherine. »Ich mache mir Sorgen.«
    »Krank? In dem Alter? Dann vergiß es. Die macht es nicht mehr lange.«
    Da stellte sich die Kraft ein, die sie gesucht hatte, nach der sie jeden Winkel ihres Körpers durchforscht hatte – er, der Feind, hatte sie ihr in die Hände gespielt. Er wollte ihr weh tun. Sie entmutigen. Dazu

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