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Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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gehört mehr, du Esel, dachte sie, es gehört mehr dazu, mich umzupusten! Sie hob den Blick. »Du hast keine Ahnung von Kindern, was?« Sogar ein abschätziges Lächeln brachte sie zustande.
    »Nein, habe ich tatsächlich nicht. Die kleinen Würmer gehen mir auf den Geist, oder sie langweilen mich, je nachdem.« Er hatte keine Lippen. In der Mitte des Mundes gab es einen |262| Vorsprung, eine Spitze, die einzige Spitze im ganzen runden, schwammigen Gesicht, und etwas Winziges, das als Unterlippe darunterhing. In den Mundwinkeln saß schlaff ein wenig Haut über zwei Falten. Es gab kaum Brauen, dafür aber große Augenbälle, von feinen Äderchen durchzogen. Die Ohrläppchen: dicke Pfropfen. Die Hände: klein und schwulstig. Statt eines Kinns ein beutelartiger Hals, der direkt an das Gesicht anschloß.
    Es wurde Zeit, daß er seine gerechte Strafe erhielt. Er zerfloß, wie Teig im Ofen zerfließt, dem man keine Form vorgibt. Das Böse wucherte in ihm, beinahe schien er unglücklich, weil er nicht bestraft wurde, ja, vielleicht war er von dieser Welt enttäuscht, weil es so einfach war, Unrecht zu begehen?
    Was tat er hier? Spionierte er für Nevill beim Erzbischof? Gab Gott ihn ihr in die Hand, damit sie sich rächte? »Du hast keine Kinder?« fragte sie.
    »Bewahre!«
    »Was arbeitest du?«
    »Mal dies, mal das.«
    »Für Abt Everard?«
    »Nein, für Courtenay.«
    Er warf es hin wie einen Wanderstock, den man nicht mehr braucht, weil man am Ziel ist. Nach einer Lüge hörte es sich nicht an. Nun, es mochte sein, daß er sich beim Erzbischof eingeschlichen hatte, um den Ketzern zu melden, was der Kirchenfürst plante. »Wie lange bist du schon bei ihm?«
    »Laß mich nachdenken. Zehn Jahre müßten es jetzt sein. Wir haben uns in London kennengelernt, als er dort Bischof war. Ich wußte schon damals, daß er es weit bringen wird.«
    Ein Hammerschlag donnerte gegen Catherines Brust, dann ruhte ihr Herz. Es stand einfach still, während in ihrem Körper Leere sirrte. Sie klammerte sich an die Seitenplanke des Wagens. Das Grauen blickte ihr ins Gesicht, kein Nebel, keine Dunkelheit, grelles Sonnenlicht und die Fratze des Grauens. Sie hatte dem Falschen gedient. Sie hatte dem vertraut, der für den Mord an Elias verantwortlich war.
    |263| Das Herz stolperte los, es schlug wieder. Tränen schossen Catherine in die Augen. Der Mörder war Courtenays Mann! Er spähte Nevill aus, um weitere Menschen ans Messer zu liefern. Sir Latimer und Sir Nevill hatten Elias unterstützt, sie waren Ketzer, aber auch Elias war ein Ketzer gewesen, er gehörte zu ihnen. Deshalb hatte der Erzbischof ihn gejagt, deshalb hatte Elias geahnt, daß er sterben würde, und hatte versucht, sie fortzuschicken, um sie zu retten.
    Keiner wollte den Mörder jagen, weil man Courtenay fürchtete. Der Coroner hatte geschwiegen. Der Bailiff, die Händler, die Karmeliter ängstigten sich vor dem langen Arm des Erzbischofs.
    Ausgerechnet bei ihm hatte sie Unterschlupf gesucht.
    Sie hatte den Ritter Cheyne um seine Braut gebracht. Sie hatte Doktor Hereford verraten. Sie war ein Dolch in der Hand des Bösen und verbreitete Unglück, während sie nur an sich und an ihre Tochter dachte. Ihre persönlichen Wünsche hatten sie blind gemacht für die Wahrheit. Hatte nicht Alan versucht, es ihr beizubringen? Alan wußte, daß Courtenay ein falscher Mann war. Oh, wie verirrt sie gewesen war!
    »Was ist los? Du weinst?«
    Er sah es. Er ahnte, daß sie ihn erkannt hatte. Was tun? Schwach war sie, geblendet und verführt. Sie war den Puppenspielern unterlegen, die ihr diktierten, was sie zu tun hatte. Elias, dachte sie, verzeih mir! »Ich mußte plötzlich an meinen Mann denken.«
    »Was ist mit ihm?«
    Was ist mit ihm, fragte der, der ihn getötet hatte. Das scheinheilige Ungeheuer! »Vor einem halben Jahr ist er gestorben.«
    »Uns ereilt es alle einmal, das ist der Lauf der Dinge.«
    Die Tränen versiegten. Fest fügten sich Catherines Zähne aufeinander. Es ereilte alle einmal. Als nächstes: ihn. Dafür würde sie sorgen.

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    Die Glut spiegelte sich in Hawisias Augen. Während die Kleine trank, sah sie unbeirrbar zum Herd hinüber. Catherine stützte den Kopf der Tochter, er fügte sich weich in ihre Hand. Obwohl Hawisias Gaumen ihre Brust empfindlich kniff, war Catherine dankbar für jeden Schluck, den die Kleine zu sich nahm. Die Welt war geschrumpft, sie bestand nur noch aus der Küche, in der sie saßen. Der Wind sang im Kaminschacht.
    Von Zeit zu

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