Die Brillenmacherin
gesehen hast?«
Der Feinschmied schüttelte den Kopf. »Er war nicht hier.«
Über den Dächern glühte der Himmel. Die Händler bauten ihre Stände ab. Eselkarren fuhren heran und luden unverkaufte Waren ein und Tische.
Eine rauhe Hand griff nach Catherines Herz. Sie ließ die Proviantbeutel liegen. Fragte einen nach dem anderen. Niemand konnte sich erinnern, Elias gesehen zu haben.
Der Himmel färbte sich dunkelblau. Wind kam auf. Catherine erschauderte. Das Abendläuten: Glockentöne bogen sich, dröhnten über den Platz. Es war ein schrilles Pfeifen dabei und ein dumpfes Donnern. Wieder und wieder schlug die Glocke, und plötzlich verstand Catherine, daß ihr Leben im Begriff war, in sich zusammenzustürzen.
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|42| 4
Sir William Nevill, königlicher Kammerritter und Kastellan in Nottingham, reckte die behandschuhte Faust in die Höhe. Augenblicklich zügelten seine zwei Begleiter ihre Pferde und fielen zurück, während er sich im Galopp jenem Wagen näherte, der vor ihnen durch den Straßenstaub raste. Mit den Fersen trieb Nevill seinen Hengst an. Er nahm die Rechte vom Zügel und zog das Schwert. Der Hengst setzte an, den Wagen zu überholen. Mannshohe Räder fauchten wütend. Der Kasten, der als Reiseraum diente, schleuderte seitwärts, als wollte er Nevill von der Straße stoßen. Mit der breiten Klingenseite schlug der Kastellan dagegen. »Öffnet!« brüllte er.
Aus dem Türloch stieß eine Schwertspitze hervor. Dann ertönte Gelächter im Kasten, und eine Stimme befahl: »Junge, zügele die Pferde.« Der Wagen verlangsamte sich.
Nevill schob das Schwert in die Scheide. Er ritt weiter auf gleicher Höhe mit der Wagentür. »Also haben mich meine Augen nicht getrogen. Das Wappen des Ritters Cheyne. Wo ist dein Pferd?«
»Es steht auf der Weide und freut sich seines Lebens.«
»Während du im Karren fährst wie ein Bauer?«
»Du beleidigst die Königin, die so zu reisen pflegt.«
»Sie ist eine Dame, ihr steht es recht an.«
Cheyne rückte näher heran. Er schlug die Beine übereinander und klopfte neben sich auf den Sitz. Unter den Rädern raste die Straße dahin. »Willst du einsteigen? Diese Reisewagen sind derzeit die begehrteste Erfindung in England. Tu nicht so, als wüßtest du nichts davon!«
»Unser Krösus. Ist etwas neu und teuer, muß er es haben.«
»Wie nennt die Königin ihren Wagen?
Kotschi?
Seit sie ihn aus Böhmen mit sich brachte, gilt diese Reiseart als edel. An |43| Ringen unter dem Wagenboden läßt sich Gepäck befestigen. Hast du bemerkt, daß die Reisekammer gefedert ist?«
»Wie zartfühlend du geworden bist! Ich war vor zwei Wochen beim König. Niemand spricht von Reisewagen. Die Franzosen rüsten zum Kampf. Du willst doch nicht im Wagen auf das Schlachtfeld fahren?«
»Nevill, alter Recke, du vergißt, daß ich mehr Nächte in einer kalten Kammer geschlafen habe, als du zählen kannst.«
»Es hat dir gewiß nicht geschadet.«
»He«, rief Cheyne nach vorn, »nicht so langsam! Fahr an, Junge.« Zu Nevill gewandt, sagte er: »So kann nur jemand sprechen, der im Hochadel aufgewachsen ist. Du leistest dir die Härte als Vergnügen. Ich hingegen genieße das feine Leben, weil ich es mir hart erkämpft habe.«
»Hart erheiratet, meinst du.«
»Diesbezüglich habe ich Neuigkeiten.« Cheyne lächelte. Er strich mit dem Daumen über einen Handspiegel aus schwarzem Obsidian. Das Schaukeln des Wagens drohte, ihm diesen zu entreißen, und er packte erschrocken fester zu, so daß die Finger weiß wurden.
»Eine frische Liebschaft? Das sieht dir ähnlich. Stehe wenigstens dazu und rede nicht vom Kämpfen. Deine Priesterjahre haben wohl kaum dazu gedient, dir ein feines Leben zu verschaffen, und das nächste große Ereignis –«
»Vergiß nicht die diplomatischen Missionen!«
»– in deinem Leben war der Schelmenstreich, die Deincourt zu heiraten.«
»Wie kannst du das einen Schelmenstreich nennen! Sie hat mich geliebt. Und ich sie. Außerdem verbitte ich mir, daß du mir den Willen zu hartem Kampf absprichst. Du hast recht mit den Franzosen, gut möglich, daß wir bald wieder Seite an Seite auf das Schlachtfeld reiten. Sieh dich also vor, wie du mit mir sprichst. Vielleicht bin ich es, der dir in einigen Wochen den Rücken deckt.«
»Wohl gesprochen, Gefährte. Das sind die Worte, die ich hören will.«
|44| Am Straßenrand erschienen Häuser. Nevill galoppierte an, um vor dem Wagen die Brücke zu überqueren. Kinder kreischten. Die Schar stob auseinander,
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