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Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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als Nevill vorüberjagte. Er preschte an den Wällen entlang, die die Karpfenbecken einfaßten. Der steinerne Bogen im Einlaßhaus gab dröhnend Hufschlag wider. Im Burghof stieg der Hengst auf die Hinterläufe. Nevill riß an den Zügeln. Er rief nach einem Knecht. »Was ist? Hat Montagu seinen Hengst mitgebracht? Das wird es sein, sie können sich nicht ausstehen. Ist die Weide frei?«
    Der Knecht buckelte. »Nein, Herr.«
    »Stehe nicht und gaffe Löcher in die Luft! Sorge dafür, daß sie frei wird. Oder zäune einen Bereich ab für meinen Wilden, auf diese Weise mag sich Latimers Herde vor ihm retten.«
    Wagenräder klapperten im Einlaßhaus.
     
    Gonora hängte sich an Annes Brokatgewand, daß die Nähte bedrohlich knackten. »Ihr solltet da nicht hineingehen. Ihr wißt genau, daß der Herr Ritter mit den Gästen allein sein möchte.«
    »Finger weg!«
    »Bitte hört auf mich. Dieses eine Mal.«
    »Es ist meine Pflicht, für das Wohlergehen der Gäste zu sorgen. Ich will sehen, ob das Fleisch kalt geworden ist.«
    »Ach, Herrin, das ist doch gar nicht der Grund, weshalb Ihr ihn stören wollt. Ihr seid eifersüchtig, weil er seine Freunde schon wieder empfängt.«
    Anne kniff eisig den Mund zusammen. Sie sah so lange auf Gonoras Hand, bis diese sich von ihrem Gewand löste. Dann drückte sie die Tür auf. Mit dem Schritt über die Schwelle verwandelte sie sich in eine Fürstin. Sie streckte anmutig den Hals und ließ den Blick unter gesenkten Lidern durch den Raum gleiten. Nevill hatte sich die Bank beim kalten Kamin als Sitzplatz erwählt, wo er sich nicht anlehnen konnte. Natürlich, er brauchte keine Lehne. Die Hände auf den Schwertknauf gestützt, saß er da, ganz der Recke. Er führte ein Leben der Erfolge, weil er den Mißerfolg nicht duldete: Admiral des Nordens, |45| Bannerführer in der Normandie, enger Vertrauter des Königs. Ganz England sprach über Nevill.
    Montagu saß zwischen den Körben und Truhen an der bemalten Wand. Was man über ihn erzählte, mußten Lügen sein. Ein schmales Gesicht wie dieses, weibliche, dünne Brauen – wie sollte er auf dem Feld von Bourdeilles berühmte Anführer der Feinde gefangengenommen haben? Montagu mochte ein erstklassiger Dichter sein, aber ein Ritter war er nicht. Er fügte sich trefflich in das Wandgemälde ein: die dünnmäuligen Jagdhunde glichen ihm, und auch das Reh, das in panischer Angst die Augen verdrehte.
    Der reiche Cheyne, vor ihm galt es, sich in acht zu nehmen. Die weiten bunten Kleider verbargen sicher vergiftete Dolche. Cheyne war ein Fuchs. Ein Säufer war er auch. Erwartungsgemäß hatte er sich in die Nähe des Weinkrugs gesetzt, um den Kelch, den die Ritter teilten, häufig nachfüllen zu können.
    Das Silbergeschirr funkelte rings um das geröstete Lammfleisch. Anne hatte die Mägde das Geschirr in den letzten Tagen wieder und wieder polieren geheißen, ihr Stöhnen nicht achtend. Mochten sie die Gäste hassen, wie auch Anne sie verabscheute. »Bitte, laßt Euch im Gespräch nicht stören.«
    »Das ist Anne, meine Frau«, sagte Latimer. Er wies auf die Besucher: »William Nevill, John Cheyne. Und der berühmte Dichter Montagu.«
    »Der Sohn des königlichen Haushofmeisters? Ich bin erfreut und geehrt.«
    Montagu verzog das Gesicht. »Bitte, sprecht nicht von meinem Vater.« Freundlicher fügte er hinzu: »Wollt Ihr Euch nicht zu uns setzen?«
    »Ich bin nur gekommen, um nachzusehen, ob unsere Gäste gut versorgt sind.« Anne setzte sich neben Montagu auf eine Truhe. Der Dichter duftete nach Süßholz und Ingwer, irritierend.
    Latimers Lippen formten lautlose Worte. Sicher nichts Freundliches.
    |46| Sie lächelte ihn an. »Habe ich den Dichter beleidigt, indem ich seinen Vater erwähnte?«
    Latimer schwieg. Cheyne allerdings schien die Frage zu erheitern. Er schnalzte mit der Zunge und gluckste: »Nun, Montagu? Ist er immer noch verärgert, weil du diese Kaufmannstochter geheiratet hast?«
    »Die Fraunceys sind eine angesehene Familie. Mauds Vater war Bürgermeister von London. Ich weiß nicht, was mein Vater an ihr auszusetzen hat.«
    »Er wird erwartet haben, daß die Gattin deinem Stand entspricht. Aber ich kann dich verstehen. Ich selbst plane eine Liebesehe. Margaret ist nun zehn Jahre tot, ich bin einsam. Ich werde – Margaret heiraten. Ihr staunt? Ich spreche nicht von der verstorbenen Deincourt, sondern von Margaret Lovetoft, der wunderschönen Tochter eines Esquire aus Lincolnshire.«
    »Die Tochter eines
Esquire

    »Wie

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