Die Brillenmacherin
Gold eingegraben.
»So ist es schon besser. Ich kann es nicht haben, wenn Menschen schreien.«
»Vergebt mir, Herr Abt.«
»Nenne mich nicht so. Der Abt weilt im Kanonikerhaus.«
Wer war dann dieser? Ein Mönch konnte das nicht sein. Er bewegte sich mit Anmut. Hände und Gesicht waren von |85| Bronze, das Gewand weiß, makellos. Nur über dem rechten Auge wölbte sich eine Warze wie zum Hinweis, daß der Mann ein Mensch war und kein Engel.
»Reden wir von drei Fehlern, die du gemacht hast. Zuerst bist du in eine Augustinerpriorei eingedrungen, um von Besitz zu sprechen. Narr! Die Chorherren leben ohne Eigentum, sie teilen alles. Wie kannst du von ihnen Hilfe erwarten für deine raffgierigen Wünsche?«
»Ich wollte nicht –«
»Der zweite Fehler war, eine Volkssage für bare Münze zu nehmen. Natürlich, es heißt, Bruder Tuck sei ein Augustiner aus Newstead Abbey gewesen, bevor er Robin Hood unterstützte. Nehmen wir an, das stimmt. Trotzdem bist du am falschen Platz, denn er raubte nicht hier für die Armen, sondern dort.« Der weiße Arm wies hinüber zum Sherwood Forest. »Daß wir in unserer Güte die Armen speisen, heißt noch lange nicht, daß wir für sie zu Mördern und Wegelagerern werden würden.«
»Wirklich –«
»Das schlimmste ist dein dritter Fehler. Du bist Unfreier und bist deinem Herrn entflohen. Wie könnte ich mich damit belasten, dir zu helfen?«
Alan erschrak. »Ihr haltet mich für einen Unfreien? Das bin ich nicht, Herr! Ich bin Pächter auf dem Land des Earls von Nottingham, ich habe ein stattliches Eintrittsgeld entrichtet und bezahle jedes Jahr fünf Schillinge.«
»Hast du Gehorsam geschworen oder Dienstgehorsam?«
»Ich weiß nicht mehr. Macht das einen solchen Unterschied?«
»Gehorsam schwören Freie ihrem Herrn. Dienstgehorsam schwören Unfreie. Leistest du wöchentliche Dienste?«
»Ja, jeden Montag muß ich auf dem Land des Earls arbeiten.«
Das Bronzegesicht nickte. »Jeden Montag. Und weißt du, was die Strafe dafür ist, wenn ein Unfreier ohne Erlaubnis seinen Herrn verläßt?«
»Aber ich bin –«
|86| »Ihm wird der Buchstabe F in die Stirn gebrannt, als Zeichen für die Falschheit, die er bewiesen hat.«
Alan betastete seinen Haaransatz. Er zitterte.
Etwas versöhnlicher sagte der Weißgekleidete: »Die Herren sind sehr empfindlich geworden für Ungehorsam seit dem Bauernaufstand vor fünf Jahren. Sie wittern überall eine neue Rebellion und werden nichts dulden, das ihre Autorität untergräbt.«
»Ich verstehe.« Alan spie zu Boden. »Also soll ich dafür bestraft werden, daß ich nicht in meinem brennenden Haus geblieben bin? Soll mir die Stirn zerrissen werden dafür, daß ich mich nicht zu Tode prügeln lassen habe, dafür, daß ich mein Leben nicht genauso willig hingegeben habe, wie ich all die Montage dem Earl gab?«
»Wir haben von deinen Fehlern gesprochen. Jetzt, da du sie einsiehst, können wir zu den Fehlern Nevills kommen. Laß den Earl aus der Sache heraus, jeder weiß, daß es William Nevill ist, der Nottingham beherrscht. Seine Männer also haben dich so zugerichtet?«
»Sie haben alles zerstört.«
»Laß dich ansehen. Es sind keine Gliedmaßen abgetrennt, und daß du Narben davonträgst, ist auch fraglich. Es gibt also keine Strafe vor Gericht. Und dann deine Güter – was willst du tun? Nevill müßte sich vor niemandem verantworten, ausgenommen königliche Richter. Die würden ihn möglicherweise einladen, wenn ich für dich Fürsprache hielte. Aber er würde nicht erscheinen. Niemand würde ihn vor die Richter zwingen wegen einer solchen Nichtigkeit. Er würde nicht hingehen, und die Sache wäre erledigt.«
»Ihr klagt für mich vor dem König?«
»Ich werde mich hüten! Ich könnte dir nicht ärger schaden. Du denkst, es geht dir schlecht? Hast du eine Vorstellung davon, was geschieht, wenn du Nevill vor dem König anklagst?«
»Was soll ich also tun? Auf Efeu pusten?«
»Geh nach Hause. Borge dir Geld und kaufe Saat davon, fang von vorn an.«
|87| »Schön.« Alan ballte die Fäuste. Er war kurz davor, dem Mann an die Kehle zu springen. »Und wem verdanke ich diesen herzerfreuenden Rat? Ihr seid überaus weise!«
Sie blieben stehen. »Vergebt, ich habe mich nicht vorgestellt.« Der Weißgekleidete hielt Alan den rechten Handrücken vor das Kinn, als wollte er ihm den Ring zeigen. »Ich bin William Courtenay, der Erzbischof von Canterbury.«
Alan starrte auf die Hand und auf den Ring.
Unverändert hielt ihn der
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