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Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Spur. Burgwhenna? Catherine sah, daß sie die Hände hinter dem Rücken verbarg. Waren sie rotgefärbt wie die ihren?
    Der Coroner kauerte sich neben Elias’ Körper nieder. »Wann habt Ihr ihn entdeckt?«
    »Heute abend«, log sie.
    »Er ist mindestens zehn Stunden tot.« Es sah aus, als wollte der Coroner Elias die Hand schütteln.
    »Ich habe meinen Bruder Alan östlich von Nottingham besucht.«
    »Wer kann das bezeugen?«
    »Alan.«
    »Und wer ist diese Frau?«
    »Das ist Burgwhenna, sie wohnt zur Miete oben unter dem Dach.«
    »Burgwhenna, habt Ihr etwas gehört in den Morgenstunden?«
    Die Alte blickte ihn gleichgültig an.
    »Sie kann Euch nicht verstehen. Sie ist taub.«
    »Sie hat also nichts gehört, und Ihr wart bei Eurem Bruder auf dem Land.« Er warf es lässig hin, als habe es keine Bedeutung. Dann machte er eine seltsam zögerliche Bewegung: Er schob seine Hand unter das Hemd des Toten.
    Catherine stieß einen Schluchzer aus. »Bitte, laßt ihn ruhen!
    Was müßt Ihr seinen Körper befingern? Ist es nicht schlimm genug?«
    Er tastete Bauch und Brust ab. »Ich muß prüfen, ob ein Mord vorliegt.« Ruhig sagte er das, und zog die Hand wieder hervor.
    |80| Wie konnte er die Stichwunde übersehen haben?
    Der Coroner nahm den Kopf des Brillenmachers in die Hände und tastete durch den weißen Haarschopf. Er quetschte die Lippen, bemühte sich, zwischen den Zähnen hindurchzublicken. Unsanft legte er Elias’ Kopf ab, drehte die Leiche auf die Seite und befühlte den Rücken. »War er krank in letzter Zeit?«
    »Nein. Aber er hat immer viel gearbeitet.«
    »Nun, seine Lebenszeit war abgelaufen. Ein natürlicher Tod.« Der Coroner erhob sich. »Er soll bei Saint Mary’s beigesetzt werden? Dann kümmert Euch gleich heute um die Totengräber, Ihr wißt, es wird am Turm und am Kirchenschiff gebaut, sie können nur nach Absprache ein Grab ausheben.« Er nickte knapp und bahnte sich einen Weg durch die Schaulustigen, ohne Antwort zu erwarten.
    Catherine taumelte zur Tür, schloß sie, und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Verstört blickte sie zum schlafenden Elias hinunter.
    Hinter Burgwhennas Rücken klingelten Münzen.
    »Burgwhenna, er hat es gewußt. Er wußte, daß Elias ermordet worden ist.«

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    Licht wollte durch seine Augenlider in den Kopf eindringen, um ihm Schmerzen zu bereiten. Er stöhnte durch geschlossene Lippen. Blutgeschmack in der Kehle. Rumpeln, Vogelrufe und eine Kinderstimme.
    Alan versuchte, die Augen zu öffnen. Das Licht schnitt in seine Gedanken hinein. Es stach aus Baumkronen heraus. Blätterdächer – sie flogen über ihn hinweg und schleuderten grelle Lanzen. Er lag rücklings auf einem Wagen. Etwas strich ihm über den Haarschopf.
    Und er roch Rauch.
    Blut und Rauch nisteten in seinen Kleidern, in den Gelenkhöhlen, in den Ohren, im Haar. Er leckte sich von innen die Lippen, bis sie aufweichten und sich allmählich voneinander lösten. »Wasser!«
    »Haben wir nicht.« Wieder dieses Etwas, das seinen Haarschopf streichelte.
    »Ich muß trinken!«
    »Du mußt warten«, sagte das Kind. »Wenn wir bei den schwarzen Männern sind, gibt es Ale und Brot.«
    Er nahm alle Kraft zusammen und hob den Kopf. »Schwarze Männer?«
    Ein Kinderlächeln.
    Sie fuhren auf einer Schubkarre, von einem Bärtigen geschoben, dem der Schweiß vom Gesicht tropfte. Neben Alan saß ein Kind, dessen Arme und Beine in Stümpfen endeten. Ein Krüppel.
    »Wohin fahren wir?«
    »Geht es dir besser?« Der Bärtige blieb stehen. »Dann kannst du gehen. Steig ab!«
    Man hatte ihm die Beine eng angewinkelt, damit sie nicht in |82| die Speichen des Schubkarrenrads gerieten. Er spannte seinen Körper an, wälzte sich seitwärts herunter.
    Der Bärtige reichte ihm die Hand. »Es ist nicht mehr weit. Siehst du das Licht auf dem Weg dort vorn? Newstead Abbey.«
    Alan zog sich am Arm des Bärtigen hinauf. Er stand. Ein Zittern lief durch seine Glieder, er schwankte die ersten Schritte. Überall an seinem Körper stach es, brannte, kniff. »Warum Newstead Abbey?«
    Der Mann hob die Griffe der Schubkarre an und ging los. »Es gibt Essen dort. Wir sollten uns beeilen. Sonst hören wir das Abendläuten aus der Ferne und können, wenn wir endlich ankommen, nur noch die Krümel vom Boden lecken, wo die anderen gegessen haben.«
    »Wo habt ihr mich gefunden?«
    »Im Straßengraben nördlich von Nottingham. Sag nichts Falsches. Ich hätte dich liegengelassen, aber der Kleine hat angefangen zu heulen.«
    Der

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