Die Brillenmacherin
gesund und kräftig.«
»Ermordet.«
»Mord?« Alan erstarrte. »Sie haben es also auf die ganze Familie abgesehen? Ich bin schuld daran. Ich habe mich bei Erzbischof Courtenay beschwert.«
»Wie meinst du das?«
»Nevills Reiter haben das Haus niedergebrannt und –«
»Der Ritterdolch!« stieß sie aus. »Elias ist mit einem Ritterdolch getötet worden.«
»Mays Vater hatte mich vor ihm gewarnt. Ich konnte die Ungerechtigkeit nicht hinnehmen, verstehst du, es war einfach zuviel.« Er sprang auf. »Wir müssen fliehen. Ich wollte bleiben, wegen May. Aber sie werden sicher Hunde mitbringen, und dann kriegen sie mich. Hast du Geld?«
»Nein. Unser Haus sieht so aus wie deins.«
»Diese Teufel!«
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»Exzellenz.« Der Abt und die Chorherren verneigten sich. Ihre gebeugten Rücken hoben den Saum der langen schwarzen Mäntel.
Courtenay hockte am Ufer des Leen, oberhalb jener Bretterverschläge, die den Augustinern als Abort dienten. Ein schwerer Geruch lag in der Luft. Fliegen summten. Der Erzbischof hielt ein Floß aus Gräsern in den Händen. »Ah, da seid Ihr.«
»Ihr habt uns erwartet?«
»Nun, diese Unterredung mußte früher oder später kommen.« Es schien Courtenay nicht unangenehm zu sein, daß man ihn bei seinem Kinderspiel überraschte. Während er sprach, knotete er ein weiteres Büschel Grashalme an das Floß. »Ihr wollt Euch erkundigen, was mein Besuch in Newstead Abbey zu bedeuten hat, richtig?«
»Nicht alle Tage verlassen Eure Exzellenz Canterbury, um so weit in den Norden zu reisen. Und Newstead Abbey ist – «
»– immerhin gegründet worden, um für den Mord an einem meiner Amtsvorgänger zu büßen. König Heinrich, Thomas Becket, Ihr kennt die Geschichte. Leuchtet es da nicht ein, daß Ihr Besuch aus Canterbury bekommt?«
Der Abt biß die Zähne zusammen. »Natürlich, Exzellenz.«
Nun sah Courtenay auf. »Ihr erstaunt mich. Eurem Ruf zufolge hättet Ihr mir widersprechen müssen, Pater. Man sagt, Ihr seid einer, der niemals stumm den Nacken beugt. Tut Euch keinen Zwang an! Fragt mich.«
»Euer Besuch ehrt uns sehr. Wir haben Euch gern zu Gast, Eure Anwesenheit verleiht diesem Ort Heiligkeit und Würde. |122| Allerdings …«, er zögerte. »Es verwundert uns, daß Ihr so lange bleibt. Welchen Zweck verfolgt Ihr?«
»Das sind die Fragen, die ich erwartet hatte.« Lächelnd erhob sich der Erzbischof. Er war klein, kaum reichte er den Augustinern bis zum Kinn. Sein Gesicht blieb freundlich, als er sagte: »Meine Geschäfte gehen Euch einen Dreck an.«
Die drei Männer wichen zurück. »Verzeiht.« Der Abt hob die Hände. »Wir wollten Euch nicht erzürnen.«
»Natürlich nicht. Ich raube Euch den Schlaf, nicht wahr? Ihr liegt des Nachts auf Eurem Bettlager und grübelt, unfähig zu erraten, weshalb der Erzbischof von Canterbury in Eurem Chorherrenstift weilt. Nun, ich möchte nicht Eure Müdigkeit verantworten. Auch wenn ich Euch keine Auskunft schuldig bin: Ich erwarte Besuch.«
Einer der Chorherren öffnete den Mund, um zu sprechen, und schloß ihn wieder, ohne einen Laut.
»Fragt!«
»Was mag das für Besuch sein? Beinahe täglich empfangt Ihr Gäste. Der, auf den Ihr wartet, muß von besonderem Rang sein. Ihr wartet seinetwegen hier und hebt ihn unter all den Boten und Bittstellern, die Euch fortlaufend aufsuchen, hervor?«
»Das hat Euch nicht zu kümmern.«
»Exzellenz«, begann der andere Chorherr, »wir dachten, es sei gut, Euch davon in Kenntnis zu setzen, daß einige der niederen
Fratres
an Eurer Echtheit zweifeln. Ihr könntet nie und nimmer William Courtenay sein, der Erzbischof von Canterbury, sagen sie.« Er fügte eilig hinzu: »Von den Chorherren zweifelt natürlich niemand.«
»Die
Fratres
also. Wenn Ihr wieder so etwas hört, schickt die Brüder zu mir. Sie sollen Genugtuung erfahren.«
»Das wird sicher nicht nötig sein.« Der Abt lächelte. Auf seiner Stirn erschienen rote Flecken. »Wir haben Euch lange genug gestört, Exzellenz, gestattet nur noch die Frage, ob alles zu Eurer Zufriedenheit ist. Wünscht Ihr nicht, in mein Haus einzuziehen? Die kleine Kammer, die Ihr bewohnt, ist eines Mannes von Eurem Rang wahrlich nicht würdig.«
|123| »Christus hat Armut befohlen. Ich befolge das gern.«
»Also seid Ihr zufrieden?«
»Nein. Ich wünsche, daß Ihr ein Festmahl vorbereitet. Keine kleine Freudenmahlzeit, sondern ein Festmahl. Wenn meine Gäste kommen, will ich sie gebührlich begrüßen. Wer von den Chorherren verheiratet ist
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