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Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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weiterging, dann war hinter Catherine sein Platz. Um zurückzufallen, machte er kleinere Schritte. Schleichen |128| mußte er, am besten wäre es, wenn er gar nicht mehr da wäre.
    Wie hatte Nevill von Alans Besuch beim Erzbischof erfahren? Sicher hatten die Herren untereinander geplaudert, auf einer Jagdgesellschaft hatte der feine Kirchenfürst zum Kastellan hinübergeworfen: Sieh dich vor, einer deiner Hörigen lehnt sich auf. Wenn er diesem Nevill gegenüberstand, irgendwann, würde er ihm ein Messer in die Kehle stoßen.
    »Das war nicht Courtenay«, sagte Catherine.
    »Es war jemand, der ihn kennt und weiß, daß es sich nicht lohnt, ihn anzusprechen.«
    »Wie will er das wissen?«
    »Ach, Cath.« Alan blieb stehen. »Du schaust auf zu so einem Mann, als wäre er heilig. Doch du hast ihm noch nie von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden. Das ist ein Mensch wie wir! Sicher, er ist gebildet. Er weiß, wie man mit Gott sprechen muß. Aber das macht ihn nicht zu einem Vater, der sich aus lauter Gutmütigkeit um die Schwachen kümmert. Es mag sogar sein, daß er ein boshaftes Herz hat.«
    »Das glaube ich nicht.«
    Es kam ihm vor, als sähe er zum erstenmal seit Jahren wieder bewußt ihr Gesicht. Die Lippen der Mutter waren schief und blutleer gewesen wie die seinen, Catherine jedoch hatte den Mund des Vaters geerbt: zwei weite Bögen, und wo sie sich trafen, zarte Spitzen. Die Unterlippe wölbte sich fordernd, die Wangen schwangen breit auseinander.
    Sicher hatten die Augenbrauen den Brillenmacher in ihren Bann geschlagen. Kranichschwingen waren es, goldschimmernde, sanfte Kranichschwingen.
    Cath war schwanger. Sie rang um eines jungen Lebens willen, das noch nicht für sich selbst kämpfen konnte. »Ich habe noch den Pachtvertrag«, sagte Alan. Auf dem Absatz machte er kehrt und lief zurück.
    Sie folgte ihm atemlos. »Was meinst du damit?«
    »Courtenay hat sich geweigert, mir zu helfen, weil er mich für einen Unfreien gehalten hat. Der kleine Kasten, in dem |129| ich den Pachtvertrag aufbewahrt hatte, ist nur außen verschmort – ich habe ihn in den Trümmern meines Hauses gefunden und darin das Pergament.« Nachdem May von ihrem Vater fortgezerrt worden war, hatte er ihn in den verkohlten Überresten entdeckt. »Damit werde ich dem Erzbischof beweisen, daß ich frei bin. Er soll dir, der Schwangeren, und mir, dem Freien, ins Gesicht sagen, daß wir von der Kirche keine Hilfe zu erwarten haben.«
    »Wie sollen wir zu ihm vordringen? Alan?«
    Aus den Furchen der Felder stieg kühl die Nacht herauf. Finsternis zog in Schwaden vor Bäume, Büsche und Hügel. Im Dorf schliefen die Häuser.
    »Hier, über das Feld.« Alan bog vor dem Dorf von der Straße ab. Die Füße sanken in das lockere Erdreich ein. Es roch nach Schafmist und nach fruchtbar moderndem, regenwurmdurchwühltem Ackerboden. Bald liefen sie im Schatten der Stiftsmauer.
    »Alan, ich hoffe, du hast nicht das vor, was ich denke.«
    »Dort hinten taucht die Abtei in den Wald ein. Ich glaube nicht, daß sie die Bäume entlang der Mauer gerodet haben.«
    Sie hatten sie gerodet. Farne bedeckten mit ihren Blättern die Stümpfe. Alan kletterte auf einen Baumstumpf, der nahe der Mauer stand. Er streckte die Arme in die Höhe. »Das müßte genügen. Räuberleiter.«
    »Ich finde das nicht gut.«
    »Ich auch nicht. Noch schlimmer finde ich es aber, wenn man Leute umbringt und Häuser niederbrennt. Und um dagegen etwas zu unternehmen, müssen wir über diese Mauer klettern. Du wolltest den mutigen Bruder zurück, Cath, jetzt bist du an der Reihe, dich von der starken Seite zu zeigen.«
    »Du weißt genau, daß sie uns fangen, sobald wir zum Erzbischof vorgedrungen sind.«
    »Der heilige Mann wird uns verzeihen. Daran glaubst du doch, oder?«
    »Und du, was glaubst du?«
    »Ich denke, wir stellen ihn vor eine Wahl. Er hat sich darum |130| gedrückt, zu entscheiden, ob er uns fortstößt oder uns hilft, und wir werden ihn nun zwingen, eine Entscheidung zu treffen.«
    »Die Hände«, sagte sie.
    Alan ging in die Hocke und faltete die Hände unter Catherines Fuß. Er spürte das Gewicht ihrer Arme auf seinen Schultern. »Früher warst du leichter«, preßte er hervor, dann hievte er sie an der Mauer in die Höhe.
    Sie stieg auf seine Schultern. Um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, lehnte er sich an die Mauer und stütze sich zu den Seiten mit den Händen daran ab.
    »Noch ein Stück.«
    »Geht nicht.«
    »Ich habe nicht genug Kraft, mich

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