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Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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der Nähe der Flammen, bis die Fäden festklebten. Blaue Fäden befestigten sie auf farblosen Kelchen, rote Fäden auf grünen Bechern, grüne Fäden auf gelben Krügen. Es entstanden Linien, Zickzackmuster, Schnörkel und Wirbel, Formen wurden in das weiche Glas gedrückt, Glastropfen ringsum aufgesetzt. Kelche bekamen einen Stiel und einen Fuß, an einem Krug rankten sich Pflanzen empor, um ihre Blätter in ihn hineinzurecken, als wollten sie daraus trinken.
    Ein dick gewölbtes Glasding stand da auf einer Steinplatte. Ein henkelloser Krug war es, der ein Bein von sich streckte. An diesem Bein hing ein kleiner gläserner Schuh. Catherine sah ein solches Gefäß zum erstenmal. »Was ist das?« fragte sie.
    Margaret zuckte die Achseln, aber einer der Männer erklärte: »Destillierkolben nennt man es. Apotheker und Alchemisten kaufen die Dinger. Manche zahlen ganze drei Schilling dafür, wenn der Kolben gut gearbeitet ist!«
    »Und das?« Sie zeigte auf eine Reihe von Flaschen mit dicken, runden Bäuchen und langen, schmal zulaufenden Hälsen.
    »Harnflaschen. Der Medicus schaut sich damit die Pisse der feinen Leute an. Es gibt in Kimbolton auch einen Barbier, der sich darauf versteht. Ist Schaum obendrauf, haben sie einen Zug in der Lunge oder so ähnlich.«
    »Also bei mir«, rief einer der Glasbläser, »ist immer Schaum obendrauf. Und meine Lunge zieht nirgendwohin.«
    |207| Die Männer lachten.
    »Wie stellt ihr die Farben her?« fragte Catherine.
    »Das ist ein Geheimnis.«
    »Kobalt für blaues Glas, Kupfer für Rot, wenn man zugleich wenig Luft heranläßt beim Schmelzen?«
    Die Glasbläser wischten sich über die rußigen Stirnen. »Woher wißt Ihr das?«
    »Eisen und Mangan sorgen für gelbes oder bernsteinfarbenes Glas, aber man muß mit dem Ofen gut aufpassen. Verpaßt man den richtigen Zeitpunkt, die Glasmasse herauszunehmen, dann wird es nichts.«
    »So ist es! Aber wie –«
    »Mit Zinn läßt sich weißes Glas herstellen, solches, das kein Licht hindurchläßt.«
    »Sie ist Brillenmacherin«, erklärte Margaret und legte den Arm um sie. »Sie besucht uns.«
    Catherine bat: »Nennt mir eure Preise!«
    »Für eine Harnflasche je nach Größe sechs bis acht Pence, Glaskolben neunzehn Pence. Ein Destillierkolben zwei bis drei Schilling.«
    »Wie sieht es mit einfachen Glasscheiben aus? Ich schleife keine Brillengläser aus irgendwelchen Kolben.«
    Unsicher sahen sich die Glasbläser an. »Ihr meint Fensterglas?«
    »Zum Beispiel.«
    »Sechs Pence.«
    »Wer ist euer wichtigster Käufer?«
    »Das Augustinerstift Stonely. Sie brauchen Glaskolben, um
    Tinte zu kochen, und für Kräuter, für Alkohollösungen oder so etwas.«
    Margaret ergänzte: »Alle umliegenden Kirchen kaufen ihre Altarlampen hier. Und das Prunkgeschirr wird sogar von Londonern bestellt.«
    Catherine sah es sich an. Schmalbäuchige Krüge mit Henkeln waren es, hergestellt aus grünem Glas und mit roten Zierbändern geschmückt, die am Krug hinabliefen, dazu breite rote |208| Schüsseln, mit über Kreuz laufendem Muster verziert. Becher strebten nach oben hin auseinander wie eine Blüte, das weiße Glas umzogen von drei bernsteinfarbenen Linien und darunter einer Wellenlinie aus gelbem Glas. »Fein«, sagte sie. »Besten Dank.«
    »Wollen wir zurückgehen?« Margaret ergriff Catherines Armbeuge und nickte in Richtung des Waldweges.
    Wie ein Kind war sie. Fröhlich, unbedarft und vor allem: unvorsichtig. Es war dem Ketzer sicher leichtgefallen, sie zu umgarnen. Einige Komplimente hier, einige kleine Geschenke dort – Margarets Herz war rasch zu gewinnen, daran gab es keinen Zweifel. Sie gehörte zur Glashütte, als sei sie selbst aus Glas, zerbrechlich, kostbar. Catherine verspürte das Bedürfnis, sie nicht nur zu retten, sondern sie außerdem zu belehren. Wie hart konnte das Leben sein! War Margaret überhaupt fähig, zu entbehren und zu ertragen? Sie würde an diesem Tag Wichtiges lernen. »Habt Ihr Geschwister?«
    »Nein. Die Mutter starb bald nach meiner Geburt, und Vater hat nicht wieder geheiratet.«
    »Dann kann sich der glücklich schätzen, der Eure Hand gewinnt. Southoe und die Glashütte sind Euer, Ihr seid die Erbin, nicht wahr?«
    »Pfui! Wie könnt Ihr so reden? Mein Herz ist nur mit Liebe zu gewinnen und nicht mit Habgier. Und ich sage Euch, ein großer Mann wirbt um mich, er hat es gar nicht nötig, sich um Besitz Gedanken zu machen.«
    »Tatsächlich! Wer ist es?«
    »Sir John Cheyne. Er war Knappe des Königs, und sobald

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