Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
natürlich. Von den Deincourts würde er niemanden einladen. Sie hatten ihn damals in Langar angegriffen und hatten versucht, ihn umzubringen, weil sie ihm das Erbe der Deincourt nicht gönnten. Offenbar hatten sie nicht damit gerechnet, daß ein ehemaliger Geistlicher, der einem niedrigen Adelshaus entstammte, sich so gut zur Wehr setzen konnte.
    Der schwarze Turm kam in Sicht, der geliebte Turm der Lovetofts. Wie befohlen fuhr der Wagen einen großen Bogen und hielt vor dem Tor. Die Wagentür öffnete sich. Cheyne stieg aus, nahm das Schwert in Empfang. Friedlich schnatterten die Enten im Wassergraben. Das Tor würde jeden Augenblick aufschwingen, und Margaret würde in seine Arme fliegen, und sie würde es wissen, sie würde in seinem Gesicht lesen und es wissen. Eine Hochzeit stand bevor!
    Die Enten tauchten die Schnäbel in das Wasser und fischten Grünzeug heraus. Das Tor rührte sich nicht.
    Wie glücklich machte er sie, und wie glücklich machte sie ihn! Oh, wie sie durch das Haus eilte, wie sie ihr Haar richtete und den Diener bedrohte, das Tor noch nicht zu öffnen, bevor sie fertig war. Er grinste. Das Herz raste ihr sicher bis zum Hals, sie rannte die Treppen hinunter, rief in ihrer wilden Art: »Tor auf!«
    Nichts rührte sich.
    |212| Er sah seine Waffenknechte an. Ihre Gesichter sprachen Verblüffung. Mit vier Schritten war er beim Tor. Er schlug den Schwertknauf dagegen.
    Stille.
    Er trat zurück, spähte zum Turm hinauf. Ein Posten stand dort und gaffte in die Ferne. Stand da, gaffte, kümmerte sich um nichts! »Donnerwetter!« brüllte Cheyne. »Laß sofort das Tor öffnen, oder ich ziehe dir das Fell über die Ohren!«
    Der Posten tat, als hörte er nichts.
    »Ist das eine neue Art, John Cheyne in Southoe zu empfangen?« Wenn er nicht gleich etwas tat, würde er platzen. Cheyne nahm einem der Waffenknechte die Lanze aus der Hand und schleuderte sie hinauf. Im zweiten Stockwerk schabte sie an der Turmwand entlang und fiel zurück. Sie platschte in den Wassergraben, blieb stecken, schräg.
    »Margaret!« rief er. »Was ist los? Willst du mich nicht sehen?«
    Er stand lange, wartete. Nie im Leben war er so gedemütigt worden. Das winzige Herrenhaus des armseligen Esquire Lovetoft lehnte ihn ab, einen Ritter des Königs. Margaret tat nichts, um seine Schmach zu lindern, nichts. Nach allem, was sie gemeinsam erlebt hatten, schwieg sie, während er vor ihrem Haus um Einlaß bat. Sie schickte ihn fort wie einen Bettler. Wie hatte er sich so sehr täuschen können in ihr! Das war nicht die Liebe, die er aus ihren Augen zu lesen vermeint hatte.
    »Margaret!« rief er noch einmal. Er wartete. Wartete. Schließlich stieg er in den Wagen und sagte mit erstickter Stimme: »Abfahren.«

[ Menü ]
    |213| 20
    »Willst du sie umbringen?«
    »Sie bekommt eine kleine Abkühlung. Was stört dich daran?« William Nevill hing mit den Augen an der gefesselten Frau, als habe er ihr die Frage gestellt.
    Thomas erschauderte. Bei seinen früheren Besuchen des großen Marktes in Nottingham hatte er den Wasserstuhl als Kuriosum betrachtet. Er baumelte dort am Balken über den Köpfen der Händler nicht etwa, um eine Strafe anzudrohen, nein, er lud zu Scherzen ein: Wer traut es sich? Wer will die lachhafte Folter erproben? Jetzt war eine junge Frau am Stuhl festgebunden, das Faß sperrte unter ihr weit den Rachen auf, und niemand lachte.
    Sie war durchnäßt bis auf die Haut, sie fluchte, schimpfte, hustete, weil sie Wasser geschluckt hatte. Thomas begann zu verstehen. Nach Gutdünken des Richters verwandelte sich der Wasserstuhl vom bloßen Tauchinstrument, das den Hitzkopf abkühlen sollte, zur Ersäufungsmaschine. »Wer in Braybrooke Streit sucht, wird für ein paar Tage eingesperrt. Es hat bisher noch immer Wirkung gezeigt. Warum diese Folter?«
    »Schau dir das an!« rief Nevill. »Das Miststück kennt die Prozedur genau. Sobald das Seil über ihr knarrt, läßt sie ihre wüsten Flüche und schöpft statt dessen Atem. Sie weiß, wann man sie in den Bottich hinabsausen läßt.«
    Die Frau klatschte ins Wasser. Zu spät sprangen die gaffenden Städter zurück, das Wasser spritzte sie naß. Nevills Schimmel tänzelte.
    Der Haarschopf der Frau versank. Im Bottich gurgelte es, dann war es still.
    Lächelnd sah der Kastellan auf das Wasser. »Diesmal lasse |214| ich sie länger unten. Ich muß sie verunsichern. Erst wenn sie Angst bekommt, stopft es ihr das freche Maul.«
    Thomas rutschte auf dem Sattel hin und her, er belastete

Weitere Kostenlose Bücher