Die Brillenmacherin
sind. Sobald ich das weiß, führe ich Nevill seiner gerechten Strafe zu. Das ist es doch, was du willst, nicht wahr?«
»Meine Tochter will ich.«
»Auch sie sollst du haben. Geh nach Nottingham!«
Man erpreßte sie. Zähneknirschend, die Hände zu Fäusten gekrampft, war sie nach Nottingham gewandert. Im Wirtshaus wollte sie sich beruhigen, wollte nachdenken, bevor sie Nevill begegnete. Das Ale hatte sie mutig gemacht und dumm. »Mörder!« hatte sie geschrien. »Du hast ihn umgebracht.« Und: »Ich will meine Tochter sehen!« Sie hatte den Alekrug an der Wand der Wirtsstube zerschmettert und war |226| hinaus auf den Marktplatz getreten. Eine unbändige Wut hatte von ihr Besitz ergriffen und sie angetrieben, zu zerstören, was ihr vor die Hände geriet.
Jemand rief: »Waffeln, noch ganz heiß, geradewegs von der Glut herunter!« Straßenkinder umringten sie. Sie lag auf dem harten Pflaster des Marktplatzes. Beinahe hatten sie sie umgebracht, Nevill, Latimer. Sie hatten Elias getötet, kaltblütig, und wollten auch sie töten, sie ersäufen. Latimer hing also mit in der Sache. Er hatte wortlos zugesehen, wie man sie auf den Wasserstuhl band, sie untertauchte.
Sie würde fortan auf niemanden mehr hören. Weder würde sie Courtenay zu Willen sein noch sich den Rittern anbiedern. Courtenay wollte erfahren, wo Nevill den Teufelsanbeter Hereford versteckte? Nun, sie würde Nevill überhaupt nicht danach aushorchen. Sie würde dem verruchten Ritter den Hals umdrehen. Jawohl, das würde sie. Nevill töten. Sie würde nur noch tun, was ihr selbst in den Sinn kam.
Catherine stand auf. Die Kinder machten ihr Platz. Das Kleid war naß, es klebte an ihrem Körper.
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Am Fuß der steinernen Rampe, die zur Festung hinaufführte, schlug Catherine dreimal das Kreuz. Geh nicht vor dem Hahnenschrei aus dem Haus, hatte die Mutter sie gelehrt, die bösen Geister haben in der Nacht Gewalt, den Menschen zu schaden. Es war Nacht. Aber Catherine fürchtete die bösen Geister nicht. Sie waren ihre Verbündeten. Catherine schlug das Kreuz nicht als Hilferuf, sondern als Drohung.
Wie Pech klebte die Dunkelheit an den Mauern von Nottingham Castle. Obwohl in mancher Schießscharte, manchem Fenster Licht glühte, erschien dadurch das Bauwerk größer und die Finsternis undurchdringlicher, denn kein Fenster, keine Schießscharte vermochte es, mehr als die angrenzenden Steine zu erleuchten. Weit war es von einem Licht bis zum nächsten, riesige Flächen dazwischen, in denen die Nacht regierte.
Catherine hatte kalte Hände. Ihr Atem ging ruhig. Sie war eine andere geworden, nachdem sie den gläsernen Ring gegen ein Stück Pergament, ein Messer und den Kapuzenumhang eingetauscht hatte. Der Ring hatte sie mit einem geordneten Leben verbunden. Er war eine Erinnerung an Elias gewesen. Jeden Tag hatte er einige Sonnenstrahlen eingefangen und sie an Catherines Finger geschmiegt. Nun brauchte sie keine Sonne mehr. Der Kapuzenumhang hüllte ihren Körper und ihr Gesicht in wohltuende Schatten.
Die Rampe führte steil hinauf, aber Catherine wog nichts, sie war leicht wie der Tod, wie sollte sie da außer Atem geraten? Am Ende der Rampe, hinter der Zugbrücke, wartete ein offenes Tor, bewacht von zwei Waffenknechten. Als sie näher trat, stießen sie sich von der Wand ab und versperrten den Weg.
»Wohin zu so später Stunde?«
|228| »Guten Abend«, sagte Catherine. Sie versuchte zwischen den Männern hindurchzuschlüpfen.
Man ergriff ihren Arm, hielt sie fest. Es erstaunte sie. Wie konnten sie einen Geist packen?
Sie streckte die Hand aus und streichelte dem Posten über die Bartstoppeln. »Läßt du mich durch?« Den zweiten Posten winkte sie näher und säuselte dicht bei seinem Ohr: »Ich werde erwartet.«
Verdutzt sahen sich die Männer an. »Von wem?«
Da schlug sie einen härteren Ton an. »Verschwiegenheit ist nicht gerade eure Stärke, was? Von wem ich erwartet werde, geht euch einen Dreck an. Er kann euch eine Menge Ärger machen, soviel steht fest, und das wird er auch, wenn ihr mich nicht gleich passieren laßt.«
»Aber –«
»Begreift ihr nicht? Wer könnte das wohl sein, der euch zerquetschen kann wie Motten?«
Eilig traten die Wachen beiseite. »Vergebung.«
»Na also, es geht doch.«
Fackeln brannten rechts und links der Straße, die vom ersten Mauerring zur Hauptburg hinaufführte. Es war, als bot man ihr ein Willkommen.
Sie hörte unsichtbare Tiermäuler Gras malmen. Ein Wiedehopf schrie. Der
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