Die Brillenmacherin
schlich sich heran. Näher. Näher. Sie hob die Klinge. Stieß sie herab.
Der Ritter wirbelte herum. Eine eiserne Faust umklammerte ihr Handgelenk und zwang das Messer in die Höhe. Eine zweite packte ihren Unterkiefer. Nevill fletschte die Zähne, seine Augen sprühten Feuer. »Habt Ihr vergessen, mit wem Ihr es zu tun habt? Auf so billige Art wollt Ihr mich loswerden?«
Ja, er war der Mörder. So sah einer aus, der mordete: Das Gesicht von tiefen Furchen entstellt, ein singender, blutpeitschender Wolfsblick. Aber es war an der Zeit, daß er büßte. Eine Woge des Zorns rollte über sie. Den Mund riß sie auf, sie biß in die Hand, die ihr Gesicht umklammerte. Mit aller Kraft drückte sie das Messer herunter, es näherte sich dem Hals des Ritters. Es hineinzustoßen!
Nevill schrie auf. Er verlor den Griff in Catherines Gesicht.
Mit beiden Händen umfaßte er den Messerarm und schob die |234| Klinge von sich fort. Das Gesicht des Kastellans rötete sich. »Ich habe nicht zahllose Schlachtfelder lebend verlassen«, preßte er hervor, »um mich mit einem Brotmesser erstechen zu lassen! Da müßt Ihr schon mit mehr aufwarten.«
Sie riß das Knie in die Höhe. Es donnerte zwischen seine Beine. »Bitte sehr«, fauchte sie.
Stöhnend krümmte sich Nevill. Er bot den ungeschützten Rücken. Seine Hände ließen nach an Kraft. Sie hob den Arm in die Höhe, entwand ihn seinem Griff und ließ das Messer herabjagen.
Wo eben noch ein Rücken gewesen war, war plötzlich keiner mehr. Der Ritter stand hinter ihr und quetschte ihren Hals mit dem Unterarm. Es knackte bedrohlich im Genick. »Laßt die Klinge fallen«, befahl er, »oder Ihr habt Euren letzten Atemzug getan.«
Catherine gab das Messer auf. Es fiel zu Boden.
»Und nun sagt mir, wer Euch schickt. Ist es Courtenay?« Mit grober Hand tastete Nevill über ihren Körper. »Eine Frau?« Er drehte sie herum und riß ihr die Kapuze vom Kopf. »Du bist das!«
Die Furchen verschwanden, er blickte wieder wie ein Mensch. Ein Mörder, getarnt als freundlicher Mann, mit dunkelblonden, lockigen langen Haaren. Er stieß mit dem Fuß nach dem Messer, es schlitterte zur anderen Seite der Halle. »Eine Bürgerin dringt in Nottingham Castle ein und versucht mich umzubringen. Wenn ich das den anderen erzähle!«
Sie schwieg.
»Du bist gut. Fast hättest du dein Ziel erreicht.« Er bückte sich neben den Tisch und hob ein Schwert auf. »Die Wut hat dich stark gemacht. Du haßt mich, weil ich den Marktwachen befohlen habe, dich mit dem Wasserstuhl zu tauchen?«
Es konnte nicht gescheitert sein. Eine neue Gelegenheit mußte sich bieten, jeden Augenblick eine Möglichkeit, es doch noch zu Ende zu bringen. »Ihr wolltet mich ersäufen.«
»Du weißt, daß das nicht stimmt. Nun allerdings hast du den Tod verdient. Du hast versucht, einen Kammerritter des |235| Königs zu ermorden.« Er zog bedächtig das Schwert aus der Scheide, ohne den Blick von ihr zu nehmen.
»Dieser Kammerritter ist selbst ein Mörder.«
»Was sagst du da?«
»Ihr seid ein Mörder und ein Plünderer, ein schäbiger Räuber, ob Ihr Euch königlicher Kammerritter nennt oder nicht.«
»Mutig, mutig«, murmelte er. Er richtete die Schwertspitze auf ihre Kehle. »Erzähl mir mehr.«
In kleinen Schritten wich sie zurück. Die Schwertspitze folgte ihr. »Ihr habt meinen Mann getötet.«
»Gut möglich. Ist er Franzose?«
»Er war Brillenmacher hier in Nottingham. Im Morgengrauen nach Sankt Ägidien habt Ihr ihn erdolcht.«
»Ein Mord in Nottingham? Das hätte sich herumgesprochen. Ich weiß nichts davon.«
»So? Da seid Ihr der einzige. Plötzlich wollte niemand mehr Elias Rowe gekannt haben, Händler, Karmelitermönche, Bailiffs. Sie halten sich die Brillen vor das Gesicht, die er gemacht hat, und behaupten, ihn nicht zu kennen.«
»Warum sollte ich einen Brillenmacher töten? Gewiß, ich halte nicht viel von diesen Augenkrücken für Schwache. Aber deshalb würde ich noch keinen töten, der sie herstellt.«
Sie blieb stehen. Die Schwertspitze berührte ihren Hals, aber Catherine bewegte sich nicht. Sie hob eine Augenbraue. »Vielleicht mordet Ihr, um an gewisse Pergamente heranzukommen?«
Der Ritter stutzte. Er ließ das Schwert sinken. »Pergamente?« hauchte er.
»Dicke, helle Blätter, längs gefaltet. Sie lagen auf den Linsen, die Elias aus Braybrooke mitgebracht hat. Schwarze und rote Schrift war darauf.«
»Braybrooke … Daher kanntest du den Namen Hereford?« Er schwieg einige Augenblicke. Dann
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