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Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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war es nicht seine Pflicht gewesen, gerade seine Pflicht?
    In zügigem Trab verließ er die Burg. »Ich bitte dich, Herr«, murmelte er, »stoße mich nicht aus deiner unsichtbaren Kirche aus. Niemand weiß es, niemand weiß, ob er dazugehört. Allein du kennst deine Kinder. O Herr, laß mich dein sein. Vergib mir!«
     
    Eine Faust in ihrem Bauch, sie konnte nicht atmen. Man drückte sie zusammen, als wollte man den letzten Rest Luft aus ihr herauspressen, und dabei war Luft alles, an das sie denken konnte, alles, das sie ersehnte, das sie brauchte. Sie krümmte sich, wollte schreien. Als sie den Mund öffnete, quoll Wasser heraus. Sie würgte. Kaltes Naß floß über ihre Lippen. Der Bauch fühlte sich an, als sei er zu einem dünnen Schlauch zusammengebunden, dennoch quetschte sich Wasser aus ihr heraus, der Körper sperrte sich dagegen, Luft aufzunehmen. Catherine drohten die Sinne zu entschwinden. Im letzten Augenblick endlich ein Atemzug. Tropfen pfiffen in ihren Hals hinein, sie hustete. Sie atmete.
    Sie atmete.
    Eine Hand strich ihr die Haare aus der Stirn. »Das wird.«
    Sie öffnete die Augen und sah einen bärtigen Fremden sich erheben und fortgehen. Er bahnte sich eine Schneise durch die Kinderschar, die um sie herumstand mit offenen Mündern.
    |224| »Waffeln, noch ganz heiß, geradewegs von der Glut herunter!« rief jemand. Die Hosen der Straßenkinder trugen Flecken von Kot und Urin. Und Catherine lebte. Es war nicht gelungen, sie zu ersäufen.
    Sie hätte die Wirtsstube nicht betreten sollen. Das Ale hatte ihre Verzweiflung in Wut und Haß verwandelt, anstatt sie zu besänftigen. Diese Menschen, die weitermachten, als sei nichts geschehen, dazu die, die sie ausnutzten, sie fertigmachten! Den Beischlaf hatte Repton verlangt. Das sollte der Preis sein für ein Wiedersehen mit ihrer kleinen Tochter. Kardamom und Lakritze hatte er gekaut, er stank danach aus dem Maul. Wer hat den Männern erzählt, sie seien für Frauen unwiderstehlich, wenn sie so riechen, wer hat ihnen erzählt, es würde die Frauen geradezu hinreißen, sie dann zu küssen? Der Gestank erregte Ekel in Catherine. Wie konnte der Widerling sich einbilden, sie fühle sich von ihm angezogen, wenn er ihr Kind entführte und es vor ihr verbarg und dann nach Lakritze roch? Wie stumpfsinnig mußte er sein, nicht zu merken, daß er abstoßend war, häßlich, widerlich? Er nannte sie »mein Vögelchen«, »mein Zuckerstück«. Sie schlug ihn. Er schlug zurück. Sie prügelte auf ihn ein. Der Erzbischof kam hinzu. Er trennte sie, sagte, es sei wohl besser, sie verlasse Newstead Abbey für eine Weile.
    »Mein Kind!« rief sie. »Wo ist mein Kind?« Sie war in Southoe gewesen, war den ganzen Weg hin und wieder zurück gereist, hatte gelogen, gehungert, gefroren. Sie hatte es für Hawisia getan.
    »Es geht ihr gut.«
    Seine sanfte Stimme beruhigte sie ein wenig. Es ging Hawisia gut. Zumindest Hawisia ging es gut.
    »Es wird alles wieder ins Lot geraten. Du hast Erfolg gehabt in Southoe?«
    Sie nickte. »Und die Vereinbarung war, daß ich bei meiner Rückkehr das Kind erhalte.« Repton blutete, das verschaffte ihr Genugtuung. Er hielt sich zwei Finger unter die Nase, um das Blut aufzuhalten, aber es tropfte dennoch heraus.
    |225| »Ich glaube, es ist nicht richtig, dir das Neugeborene jetzt auszuhändigen. Eine Amme kümmert sich um die Kleine. Du bist voller Haß, selbst auf deine Freunde prügelst du ein. Ich kann es nicht verantworten, dir einen Säugling anzuvertrauen, solange du den Wunsch empfindest, um dich zu schlagen, anstatt den Wunsch, zärtlich und fürsorglich zu sein.«
    »Ich würde Hawisia nie etwas antun!«
    »Bist du dir da sicher? Nein, erst mußt du deinen Abscheu und deine Wut loswerden, ehe du Mutter sein kannst.«
    »Gebt mir sofort Hawisia zurück!«
    »Southoe war die Probe, nun weiß ich, daß du einiges leisten kannst. Bist du bereit, dem Mörder deines Mannes zu begegnen?«
    »Wer ist es?« hauchte sie.
    »Sir William Nevill.«
    Nevill! »Die Pergamente haben ihm gehört?«
    Courtenay schrak zusammen. Unverkennbar schwankte er, sein Gesicht weichte auf, er verlor die Beherrschung. »Ja«, sagte er und suchte sich zu sammeln, »ja, es waren seine. Wo sind sie jetzt?«
    »Er hat sie mitgenommen.« Offenbar enthielten diese Pergamente etwas, das der Erzbischof fürchtete.
    »Geh nach Nottingham, mach dich gleich auf den Weg. Ich will, daß du herausfindest, wo Nevill den Teufelsanbeter Hereford verbirgt und wo die Pergamente

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