Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
seid, dann zeigt Euer Gesicht.«
    |231| Da waren sie, die Schwierigkeiten. Jetzt sich abzukehren? Undenkbar. »Ich ziehe es vor, unerkannt zu bleiben.« Es klang lächerlich. Ein Bote, der sich unter einer Kapuze verbarg? Sie mußte zum letzten Mittel greifen. Eigentlich hatte sie gehofft, daß sie das Pergament erst später brauchen würde. Auf keinen Fall durfte er es in die Hände bekommen. »Ich habe eine Nachricht von Hereford, die Euer Herr sofort erhalten muß.«
    Der Bursche fuhr zurück. »Doktor Hereford?«
    »Doktor Hereford.«
    Der geheimnisvolle Name zeigte Wirkung. Ein Gefühl von Macht durchströmte Catherine, sie wuchs, Kraft pulste in ihr.
    Er zog die Tür auf. »Ich bringe Euch hoch.«
    Eine Treppe führte sie in das zweite Stockwerk. Dort endeten die Stufen vor einer festen Eichenpforte, über ihnen gähnten Löcher in der Decke, sie gaben Catherine das Gefühl, bedroht zu sein. Waren das Rattenpfade? Oder goß man durch sie kochendes Blei auf unerwünschte Besucher herab? Der Bursche klopfte und sprach mit einem Wächter. Sie durften passieren. Am Fuß der Wand lehnte eine Armbrust, Bolzen waren säuberlich unterhalb einer Schießscharte aufgereiht. Hatte der Posten nicht geschlafen? Nicht einmal geschlummert? Er sah ihnen aufmerksam nach, während sie hinter der Pforte weiter hinaufstiegen. Die vielen Vorsichtsmaßnahmen verunsicherten Catherine.
    Kein Ende nahmen die Stufen. Es ging ganz nach oben.
    Endlich blieb der Bursche stehen. Er schlug den Schwertknauf gegen eine Tür.
    »Tretet ein!« erklang es von drinnen.
    Sie kamen in eine Halle. Feingewobene Bilderteppiche hingen an den Wänden. Kaminfeuerluft wärmte Catherines Hände und ihr Gesicht. Der Schornstein über der Feuerstelle war mit Schwertern behängt und mit Schilden und Waffenröcken, die Nevills Wappen trugen: rote, sich kreuzende Linien auf weißem Untergrund. Bärenfelle bedeckten dürftig die Fenster; durch die verbleibenden Lücken sah man den schwarzen Himmel und Sterne. Da war ein Bett, so groß, daß |232| es drei Familien Platz geboten hätte. Schränke gab es, beschlagen mit Verzierungen.
    Nevill saß an einem Tisch, ihm gegenüber ein älterer Ritter. Zwischen ihnen lag ein Spielbrett aus braunen und weißen Feldern. Seltsame Figuren standen darauf. Nevill schob eine von ihnen von einem Feld zum nächsten und räumte schweigend eine andere Figur vom Brett. »Was gibt es?« fragte er, ohne aufzublicken.
    Der Bursche machte einen Schritt auf den Tisch zu. »Wil liam ?«
    »Du bist am Zug«, sagte Nevill zum älteren Ritter. Seine Augen hingen am Spielbrett fest. »Sieh dich vor mit dem Reiter dort drüben. Oder opferst du ihn, um einen Vorteil zu erlangen?«
    »Keine Sorge«, murmelte der Alte. »Ich verfolge einen Plan.«
    »William? Eine Botschaft von Doktor Hereford.«
    Beide, der Alte und Nevill, hoben die Köpfe.
    Verbarg die Kapuze zuverlässig ihr Gesicht? Catherine brach der Schweiß aus am ganzen Körper, es stach und kitzelte.
    »Endlich.« Nevill stand auf. »Geht es ihm gut? Wann kehrt er zurück?«
    »Er gab mir den Auftrag«, sagte sie leise, »nur mit Euch zu sprechen, Sir Nevill.«
    »Die Männer sind eingeweiht. Es ist gut.«
    »Mich bindet ein Schwur, den ich Doktor Hereford gab.«
    »Was verheimlicht er vor uns?« Der junge Bursche breitete die Arme aus. »Ich verstehe das nicht! Wenn er Nachricht gibt, warum sollen das nicht alle hören? Wir machen uns genauso Sorgen.«
    »Er hat doch sonst keine Unterschiede gemacht.« Der Alte runzelte die Stirn.
    Nevill sagte: »Es gibt nur eine Erklärung. Er befindet sich in Gefahr. Offenbar weiß er nicht, wem er trauen kann.«
    »Willst du damit –«
    |233| »Natürlich will ich das nicht sagen. Und dennoch müßt ihr den Raum verlassen.«
    Niemand rührte sich.
    »Habt ihr mich nicht verstanden? Ich sagte, ihr sollt gehen!«
    Sie taten, wie er ihnen geheißen.
    Catherine tastete unter dem Umhang nach dem Messer.
    »Wer seid Ihr?« Der Kastellan trat auf sie zu. »Lüftet Eure Kapuze.«
    Sie mußte ihn ablenken. Rasch zog sie das Pergament hervor. Ihre Hand bebte. Um Himmels willen, daß er das nicht sah!
    Er nahm das Pergamentstück entgegen. »Ist er auf dem Heimweg? Wo habt Ihr ihn getroffen?«
    Der Ritter trug weder Kettenhemd noch Panzer. Sie mußte ihm nur die Klinge in den Rücken rammen. Umdrehen sollte er sich, die Augen von ihr nehmen!
    Endlich beugte sich der Kastellan zum Kamin hin. Er entfaltete mühsam das Pergament. Catherine zog das Messer und

Weitere Kostenlose Bücher