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Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Lichtflecken, die von seiner Schwertklinge an die Wand geworfen wurden. Er drehte das Schwert, so daß die Lichter wie Vögel emporflogen.
    Oben angekommen, sah er in den Burghof hinab. Hinter der Halle beschlug ein Schmied einen kräftigen Braunen; ein Bärtiger streichelte das Pferd am Kopf, um es zu beruhigen. Das war kein Waffenknecht, der da stand, der Aketon, das gepolsterte Wams, verriet ihn mit dunklen Abdrücken von Nieten und Lederriemen. Dieser Mann trug in der Schlacht einen Plattenpanzer. Er war Ritter. »Wie viele Männer hast du hier zur Zeit?«
    |219| »Zu wenige. Der König braucht jeden Mann, aber die belehnten Ritter erscheinen weder zur Burgwache, noch bezahlen sie Schildgeld, so daß man statt ihrer Söldner einstellen kann. Es ist zum Haareraufen! Manche schicken einen Verwandten oder einen jungen Ritter aus ihrem Gefolge, der sie vertritt, das sind die Ausnahmen. Was bleibt mir anderes übrig, als das Schildgeld aus eigener Tasche vorzustrecken? Die Gewitterwolken türmen sich ja schon, wie sollte ich das ignorieren!«
    »Also wie viele?«
    Nottingham erstreckte sich unter ihnen mit seinen Rauchschwaden, Kirchtürmen, moosbewachsenen Dachschindeln. »Achtzehn Ritter mit Gefolge«, sagte William, »zwanzig Armbrustschützen, zweiundneunzig Bogenschützen.«
    »Sie sind uns treu ergeben?«
    Der Kastellan nickte. »Wie viele hast du?«
    »Vier Ritter mit Gefolge, sechs Armbrüste, siebzehn Bogen.«
    Sie lehnten sich zwischen zwei Zinnen über die Brüstung. »Willst du das Fernrohr haben?« fragte Nevill.
    »Gern.«
    Nevill reichte ihm ein kurzes Messingrohr, hohl und leer wie ein Trichter. Thomas hielt es sich vor das Gesicht. Es half, die Sonne abzuschirmen beim Blick über die Stadt. Man sah schärfer ohne das störende Licht. »Montagu hat geschrieben.« Thomas sah über die Stadt hinweg zum Sherwood Forest hinüber. Die Straße, die Nottingham mit York verband, grub eine Furche in das wuchernde Grün des Waldes. »Courtenay zieht ein Heer zusammen, schreibt er.«
    »Er versucht wohl, das Durcheinander für sich zu nutzen, das seit der letzten Parlamentssitzung herrscht.«
    »Es wird gegen uns gehen. Der König kann uns momentan wenig helfen, er ist selbst in Bedrängnis. Unsere Reform wird scheitern.« Thomas setzte das Fernrohr ab und fegte Sand von der Steinkrone der Mauer. Er sah zu, wie er in die Tiefe schwebte. Das Rohr gab er zurück.
    |220| »Das wird sie nicht. Was redest du da? Seit wann hast du Angst vor einem Heer? Darf ich dich an die Gascogne erinnern und an Spanien? An den Feldzug unter John von Gaunt?«
    »Dieser Feldzug war ein einziges Desaster. Wir haben keinen Fußbreit Land gewonnen.«
    »Aber Beute habt ihr gemacht, und zwar reichlich.«
    »Und Tote zurückgelassen, genauso reichlich. Die Pest hat im Heer um sich gefressen wie Feuer in trockenem Stroh.«
    »Jedenfalls ist Furcht für dich ein fremdes Wort. Widersprich mir nicht! Ich kenne dich besser.«
    »Selbst wenn wir Courtenay schlagen, die Reform wird keinen Erfolg haben. Uns fehlt der Rückhalt im Volk.«
    »Das Volk ist nicht blind. Seit acht Jahren haben wir zwei Päpste, einen in Rom und einen in Avignon, es ist einfach lachhaft! Man redet darüber, man hat kein Vertrauen mehr in die kirchlichen Instanzen.«
    »Kein Vertrauen? Gib ihnen die Bibel in englischer Sprache, sage ihnen, sie sollen sich eigene Gedanken machen, selbst darin lesen – was meinst du, wie ihre Antwort ausfällt? Das können nur Geistliche verstehen, sagen sie.«
    »Sie brauchen Zeit. Ihr Gewissen hat lange geschlafen. Sie haben nie Gottes Stimme gehört, deshalb wagen sie es gar nicht, nach ihr zu lauschen.«
    »Verstehst du nicht? Wir bringen dem Volk etwas, das es gar nicht haben will.«
    »Neues Denken beginnt immer bei den Gebildeten. Und die Edelleute haben wir auf unserer Seite.«
    »Die Edelleute? Es sind die verarmten, die kleinen Herren. Die, die sich seit langem darüber ärgern, daß die Geistlichkeit ihnen die besten Ämter in der Verwaltung wegschnappt.«
    »Was ist mit Clifford, Sturry, Clanvow, was ist mit mir? Wir gehören zu den sechzehn Kammerrittern des Königs, vier von sechzehn führenden Rittern des Landes sind bereits Nachfolger Wycliffes, und du behauptest, es sind nur die verarmten, kleinen Herren auf unserer Seite? Zählst du uns etwa dazu?«
    »Natürlich nicht.«
    |221| »Hast du Cheyne vergessen? Montagu? Dich selbst?«
    »Nein. Ich denke einfach nach, statt mich von der Begeisterung blenden zu lassen. Meinst

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