Die Brooklyn-Revue
Wege, ihn zu vernichten.
Harry stritt alles ab. Aber da im Lager der Galerie noch sieben Fälschungen übrig waren, hatte die Polizei keine Schwierigkeiten, ihn vor Gericht zu bringen. Er berief sich weiter auf seine Ahnungslosigkeit, doch dann machte sich Gordon aus dem Staub, und angesichts dieses Verrats verließ Harry der Mut. Verzweifelt und voller Selbstmitleid brach er schließlich zusammen und erzählte Bette die ganze Wahrheit. Wieder ein Fehler, wieder ein falscher Schritt in einer langen Reihe von Irrtümern und Fehleinschätzungen. Zum ersten Mal in all den Jahren, die er sie kannte, geriet sie in Zorn – und überschüttete ihn mit Beschimpfungen, in denen Wörter wie
krank, unersättlich, widerwärtig
und
pervers
die Hauptrolle spielten. Sie entschuldigte sich zwar umgehend dafür, aber da war der Schaden bereits angerichtet, und dass sie zu seiner Verteidigung die besten Anwälte der Stadt anheuerte, hinderte Harry nicht an der Erkenntnis,dass sein Leben in Trümmern lag. Die Ermittlungen zogen sich zehn Monate lang hin, schleppend trug man aus weit entfernten Orten wie New York und Seattle, Amsterdam und Tokio, London und Buenos Aires die Beweise zusammen, und am Ende klagte der Bezirksstaatsanwalt von Cook County ihn des Betrugs in neununddreißig Fällen an. Die Presse meldete die Nachricht in fetten Schlagzeilen. Harry musste sich auf zehn bis fünfzehn Jahre Gefängnis gefasst machen, falls er den Prozess verlor. Auf Anraten seines Anwalts bekannte er sich schuldig und nannte, um die Strafe noch weiter zu verringern, Gordon Dryer als seinen Mittäter; der habe sich den ganzen Schwindel ausgedacht, und er (Harry) habe sich gezwungen gesehen, zu Dryers Komplizen zu werden, als der ihm gedroht habe, ihr Verhältnis öffentlich zu machen. Der Lohn für dieses kooperative Verhalten war eine Strafe von maximal fünf Jahren mit der Aussicht auf vorzeitige Entlassung bei guter Führung. Die Polizei verfolgte Dryers Spur nach New York und verhaftete ihn nur wenige Minuten vor Beginn des Jahres 1988 auf einer Silvesterparty in einer Kneipe in der Christopher Street. Auch er bekannte sich schuldig, aber da er keine Namen nennen konnte und auch sonst nichts anzubieten hatte, wurde Harrys Exlover zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt.
Aber es sollte noch schlimmer kommen. Gerade als Harry sich anschickte, ins Gefängnis zu gehen, hatte der alte Dombrowski Bette endlich so weit, dass sie die Scheidung einreichte. Er gebrauchte dieselbe Einschüchterungstaktik wie in der Vergangenheit – drohte ihr mit Enterbung, drohte, ihr das Taschengeld zu streichen –, aber diesmal meinte er es ernst. Bette liebte Harry nicht mehr, aber sie hatte nicht vorgehabt, ihn zu verlassen. Trotz des Skandals, trotz der Schande, die er auf sein Haupt gehäuft hatte, war es ihrnicht ein einziges Mal in den Sinn gekommen, ihre Ehe zu beenden. Das Problem war Flora. Mit knapp neunzehn hatte sie bereits Aufenthalte in zwei privaten Nervenheilanstalten hinter sich, und ihre Aussichten auf eine auch nur partielle Genesung waren gleich null. Eine Behandlung auf diesem Niveau verschlang enorme Summen, weit über hunderttausend Dollar für jeden Aufenthalt, und ohne den monatlichen Scheck ihres Vaters wäre Bette beim nächsten Zusammenbruch ihrer Tochter nichts anderes übrig geblieben, als sie in eine staatliche Einrichtung zu geben – eine Vorstellung, die sie schlichtweg nicht akzeptieren konnte. Harry verstand ihr Dilemma, und da er selbst keine Lösung anzubieten hatte, erklärte er sich widerstrebend mit der Scheidung einverstanden, schwor sich dabei jedoch, ihren Vater umzubringen, sobald er aus dem Gefängnis entlassen würde.
Er war jetzt ein armer Mann, ein mittelloser Sträfling, der weder Rücklagen noch Pläne hatte, und wenn er seine Zeit in Joliet abgesessen hätte, würde er wie eine Hand voll Konfetti in alle vier Winde geworfen werden. Seltsamerweise war es ausgerechnet sein viel geschmähter Schwiegervater, der ihn rettete – freilich zu einem Preis, einem so rücksichtslosen, unverschämten Preis, dass Harry sich nie von der Schmach und Verbitterung erholte, die ihn überkamen, als er das Angebot des Alten akzeptierte. Aber er tat es. Er war zu schwach, es auszuschlagen, hatte zu große Angst vor der Zukunft, um nein zu sagen, wusste aber schon in dem Augenblick, da er seine Unterschrift unter den Vertrag setzte, dass er seine Seele verkauft hatte und von nun an in ewiger Verdammnis leben würde.
Zu dem
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