Die Bruderschaft Christi
der Vernehmung nicht schaden könne.
Also führte er Tom in das Vernehmungszimmer, in dem Thierry Gaumond alias Jean Colombare saß und mit weit geöffneten Augen an die Decke starrte.
»Hallo Jean, oder soll ich dich Thierry nennen«, sagte Tom, nachdem er hinter Jeans Rücken leise das Zimmer betreten hatte.
Jean wandte den Kopf und blickte Tom entgeistert an. Seine Augen folgten Tom, bis dieser auf dem Stuhl gegenüber Platz genommen hatte.
»Wie geht es dir?«, fragte Tom sanft.
Gaumond schloss für einen Moment die Augen. »Es tut mir leid«, flüsterte er.
»Du tust mir leid«, antwortete Tom. »Deine ganze Welt besteht aus Lügen. Deine Freundschaften, deine Versprechen, sogar die Rolle, in die du geschlüpft bist, alles Lüge und mit Blut erkauft.«
»Weshalb bist du hier?«, fragte Jean.
»Ich will wissen, ob es nun endgültig vorbei ist.«
»Wie meinst du das?«
Tom lächelte kalt. »Sind Yaara und ich jetzt sicher, oder wird es andere geben, die versuchen, die Schriftrollen an sich zu bringen?«
Gaumond zuckte mit der Schulter.
»Du kannst deinen Freunden ausrichten, dass sie dort angekommen sind, wo sie hin sollten. Dieser Pater Leonardo hat die Rollen an sich genommen und sie werden sicher dort verschwinden, wo bislang alles verschwunden ist, was kein Mensch jemals erfahren sollte.«
»Warum erzählst du mir das?«, fragte Gaumond.
Tom schüttelte den Kopf. »Damit du dich trotz deines Elends noch ein klein wenig freuen kannst.«
Gaumond schlug die Hände vor das Gesicht. »Lass mich bitte alleine, ich will, dass du gehst.«
Tom erhob sich und ging zur Tür. Schließlich wandte er sich noch einmal um.
»Eine Frage habe ich noch, und ich will, dass du mir die Wahrheit sagst. Du weißt, dass hinter dem Fenster jemand steht, der dir zuhört und jedes Wort, das wir sprechen, aufzeichnet. Trotzdem verlange ich von dir eine Antwort. Bei allem, was wir mit dir als Jean, als unseren Partner und Leidensgenossen durchgemacht haben. Ich frage dich, hättest du Yaara und mich umbringen lassen, wenn die Polizei nicht rechtzeitig eingegriffen hätte?«
Gaumond senkte den Kopf.
»Die Angelegenheit war zu wichtig. Menschenleben spielen keine Rolle, wenn es darum geht, große Dinge zu tun«, antwortete Gaumond leise.
»Hättest du uns umgebracht?«, wiederholte Tom eindringlich.
Gaumond schnappte nach Luft. Man spürte es förmlich, wie es in ihm brodelte. Schließlich sprang er auf, so dass sein Stuhl nach hinten kippte.
»Ja!«, schrie er laut. »Ja, verdammt noch mal!«
Die Tür ging auf und zwei uniformierte Polizisten stürzten in den Raum. Sie umklammerten Gaumonds Arme und setzten ihn nieder, nachdem einer den Stuhl wieder aufgestellt hatte.
Gaumond sank in sich zusammen. Eine Träne rann über seine Wange.
»Vergib mir!«, schluchzte er. »Tom, Yaara, vergebt mir, es tut mir leid.«
Tom wandte sich von Gaumond ab. »Ich kann dir nicht vergeben, das ist nicht meine Angelegenheit. Du wirst die Vergebung von deinem Schöpfer abverlangen müssen, wenn du vor ihn trittst.«
München, Bayrisches Landeskriminalamt, Dez. 63 …
Es war kurz vor Feierabend. Bukowski hatte bereits seine Jacke übergezogen.
»Soll ich dich nach Hause fahren?«, fragte er Lisa, die ihren Computer abschaltete.
»Ich bin mit dem Fahrrad gekommen.«
»Findest du das nicht ein wenig gefährlich? In deinem Zustand, meine ich.«
Lisa schob die Tastatur in eine Ecke ihres Schreibtisches und ordnete das Vernehmungsprotokoll von Thierry Gaumond.
»Ich komme schon zurecht«, antwortete sie, als Bukowskis Telefon klingelte. Bukowski verzog sein Gesicht.
»Willst du nicht rangehen?«
»Wir haben seit fünf Minuten Feierabend«, entgegnete er. Das Klingeln nahm kein Ende. Schließlich setzte er sich wieder hinter seinen Schreibtisch und nahm den Hörer in die Hand.
»Bukowski, Bayrisches Landeskriminalamt, Dezernat 63«, meldete er sich korrekt.
Maxime Rouen war in der Leitung. »Sei mir gegrüßt, großer Kriminalist!«
»Maxime«, sagte Bukowski erfreut. »Schön, deine Stimme zu hören. Wie läuft es bei euch in Frankreich? Ich wollte dich morgen anrufen, sobald wir hier alles geordnet haben. Der Fall hat sich entwickelt.«
»Ich habe schon davon gehört«, entgegnete Rouen. »Und genau deswegen rufe ich an. Auf meinem Schreibtisch liegt ein Dossier, das uns jemand zugespielt hat. Ich habe keine Ahnung, woher es stammt und wer der Überbringer ist, aber es ist sehr interessant. Und es geht um euren
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