Die Bruderschaft Christi
Echtheit spricht.«
Professor Chaim Raful stand schweigend am Rande der Gruft und blickte still und andächtig auf den Steinsarg. Seine Augen glänzten.
Jonathan Hawke stieg die Leiter empor und gesellte sich an die Seite Rafuls. Er klopfte sich den Staub aus den Kleidern.
»Der Sarg ist gut erhalten«, sagte er. »Ich denke, dass wir bis zum Morgen die Seitenwände der Gruft so weit stabilisiert haben, dass wir mit den Untersuchungen im Inneren beginnen können. Es ist ein sonderbarer Zufall, ausgerechnet hier auf das Grab eines Templers zu stoßen. Es liegt außerhalb der historischen Stadtgrenzen, mitten im Nirgendwo.«
Raful wandte sich seinem amerikanischen Kollegen zu. »Es ist die glückliche Fügung des Schicksals«, antwortete er.
Hawke schaute sich um. In der Ferne erhellten die Lichter Jerusalems die Nacht. »Es scheint fast, als habe man bewusst das Grab in diese Einöde gelegt, um es vor Grabräubern zu schützen.«
Raful nickte. »Ich möchte so schnell wie möglich einen Blick in den Sarkophag werfen. Wir brauchen einen Flaschenzug, um die Grabplatte anzuheben.«
»Wir wollen doch nichts überstürzen, niemand drängt uns«, antwortete Hawke. »Die Balken sind stark genug, um das Gewölbe zu sichern. Wir sollten gründlich vorgehen. Oder ist das hier eine Notgrabung?«
Chaim Raful neigte sich verschwörerisch zu Hawke. »Es könnte eine werden, wenn die Regierung davon erfährt.«
»Das verstehe ich nicht«, antwortete Hawke.
»Unsere Regierung ist manchmal sehr umständlich, wenn es um die Erweiterungen von Genehmigungen geht. Und hier sind beinahe dreißig Helfer aus der Umgebung tätig. Wir werden den Fund nicht lange verheimlichen können.«
Hawke zog die Stirne kraus. »Welche Gründe sollte es geben, uns die weiteren Grabungsarbeiten zu untersagen? Ist die Bar-Ilan-Universität so wenig einflussreich?«
»Jonathan«, sagte Raful in väterlichem Ton, »Sie kennen die Situation unseres Landes nicht wirklich. Wir sind umgeben von Feinden und benötigen deswegen die Freundschaft und Unterstützung der westlichen Welt und auch in gewisser Weise die Akzeptanz der römischen Kirche. Das ist vielleicht der erste gut erhaltene Fund eines Kreuzfahrers, der im Auftrag der Kurie vor beinahe tausend Jahren aufgebrochen ist, um das Grab Christi und die heiligen Stätten vor der Zerstörung und der Barbarei zu retten. Ich möchte nicht, dass hier in ein paar Tagen Abgesandte des kirchlichen Amtes für Altertümer herumschleichen und die weiteren Arbeiten an sich reißen. Das habe ich vor beinahe fünfzig Jahren schon einmal erlebt, als plötzlich Pater de Vaux in Khirbet Qumran auftauchte und die Leitung der Ausgrabungen im Auftrag der römischen Kirche in den Höhlen übernahm. Am Ende führte es dazu, dass es mehr unbeantwortete Fragen gab, als Antworten gefunden wurden. Die Kirche wird nichts an die Öffentlichkeit dringen lassen, das ihrer Lehre schaden könnte.«
Hawke schüttelte den Kopf. »Das ist das Grab eines Kreuzfahrers, der vor neunhundert Jahren hier starb. Welche Geheimnisse sollte es hier in Bezug auf Jesus Christus geben, die uns die Kirche vorenthalten könnte?«
Chaim Raful machte ein ernstes Gesicht. »Die Tempelritter waren nicht unbedingt die Freunde Roms, erinnern Sie sich an Freitag, den Dreizehnten, im Oktober 1307«, antwortete er. »Wir werden es gar nicht so weit kommen lassen. Sobald wir uns sicher sind, dass wir in der Gruft arbeiten können, werden wir gründlich suchen und alle Funde sofort in das nahe gelegene Rockefeller Museum bringen.«
»Sie sind der Leiter dieser Grabung«, antwortete Jonathan Hawke. »Auch wenn ich Ihre Vorgehensweise nicht gutheißen kann. Meiner Meinung nach sollten wir den Sarkophag erst bergen und in Sicherheit bringen, bevor wir ihn öffnen. Im Labor hätten wir Möglichkeiten …«
»… wenn ich alle Funde sage, dann meine ich auch den Inhalt des Steinsarges«, fiel ihm Chaim Raful ins Wort.
Wieskirche bei Steingaden, Bayern …
Die Männer in ihren weißen Papieranzügen räumten die Werkzeuge und Utensilien in ihre Koffer und verstauten sie im weißen VW-Bus. Die Spurensicherung durch die Spezialisten des LKA war abgeschlossen. Einheiten der Bereitschaftspolizei hatten mit Hunden die Umgebung abgesucht, doch nichts gefunden, nicht den kleinsten Hinweis. Kriminaloberrat Stefan Bukowski saß auf einer Holzbank in der Nähe des Nebeneinganges und beobachtete die Szenerie. Er nestelte an seiner
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