Die Bruderschaft Christi
die als zuverlässig galten. Ein großer Flaschenzug mit einer Tragkraft von beinahe zwölf Tonnen war errichtet worden, um die schwere Grabplatte vom Sarg zu heben. Chaim Raful war Hawkes Team nicht mehr von der Seite gewichen. Seine Erregung und seine Neugierde konnte er kaum noch verbergen. Ungeduldig wartete er darauf, dass die Platte endlich unbeschadet angehoben werden konnte.
Mittlerweile war es Vormittag, und unter dem Zelt staute sich die Hitze. Ein schwerer Lastwagen wartete direkt neben der Grube. Jonathan Hawke hatte den Befund der Grabungsstätte studiert. Die Gesteinsschichten ließen sich bis zu einer Tiefe von drei Metern eindeutig der Epoche zuordnen, aus der auch die übrigen Funde römischen Ursprungs stammten. Dann geriet das Bild durcheinander. Die Gruft war unterhalb der beinahe drei Meter tiefen Grube erbaut worden und reichte noch einmal zwei Meter tiefer. Jonathan Hawke war klar, was hier passiert sein musste. Man hatte den Boden vor knapp tausend Jahren abgetragen, um die Grabstätte des Ritters zu errichten. Mit der Erde hatte man anschließend alles wieder zugeschüttet, deswegen war hier einiges durcheinandergeraten. Aus statigrafischer Sicht war dies nichts Ungewöhnliches. Solche Phänomene waren oft anzutreffen, wenn der Boden nicht zur Ruhe gekommen war oder wenn man einige Jahrhunderte später neue Fundamente grub und mit den statigrafischen Schichten des Erdbodens auch die vergangenen Jahrhunderte ineinander vermischte. Vor allem in der Nähe großer Städte, wenn sich diese immer weiter ausdehnten und neue Gebäudekomplexe errichtet worden waren.
»Wir sind so weit«, meldete Aaron und riss Professor Hawke aus seinen Gedanken. Jonathan Hawke stieg in die Grube und betrachtete das dicke Stahlseil, das leicht unter Spannung stand.
»Da bin ich aber froh, dass ich noch rechtzeitig gekommen bin«, ertönte Toms Stimme im Rücken der beiden Archäologen. Gina und Jonathan fuhren herum.
»Tom!«, sagte Hawke erstaunt. »Ich dachte, du liegst im Bett, wo du hingehörst.«
Tom lächelte. »Yaara und Moshav sind in die Stadt gefahren, mir geht es schon wieder besser. Und ich will schließlich wissen, was hier vorgeht.«
»Wir wollen den Sarkophag öffnen und deinen Fund inspizieren«, antwortete Hawke.
»Aber wäre es nicht besser gewesen, den gesamten Sarg zu bergen und ihn im Labor zu öffnen, bevor wir hier noch etwas beschädigen?«
Hawke zuckte die Schulter. »Chaim möchte es so, und er ist der Leiter der Ausgrabung. Ich bin hier nur für die technische Ausführung zuständig.«
»Er kann es wohl nicht erwarten«, fügte Gina hinzu.
»Also gut, fangen wir an«, sagte Jonathan Hawke entschlossen und gab Aaron ein Zeichen.
Fribourg in der Schweiz, das Convent Saint-Hyacinthe der Dominikanerbruderschaft in der Rue du Botztet …
Wohin hatte diese liberale Welt die Menschheit gebracht? Sogar im Sanctum Officium saßen liberale Freigeister und breiteten sich langsam aus wie ein Krebsgeschwür. Wenn diese Kirche nur noch ihre Feinde belächelt und nicht bis aufs Blut bekämpft, dann wird sie eines Tages untergehen!
Kardinal Borghese konnte es noch immer nicht fassen, mit welcher Leichtigkeit Pater Leonardo die Nachrichten von den Ausgrabungen in Jerusalem aufgenommen hatte. Als Sekretär des Sanctum Officium war es eigentlich seine heilige Pflicht, alles zu tun, um eine Gefahr für die Kurie, für den Glauben und für das Seelenheil der Menschen abzuwenden. Und was antwortete Pater Leonardo darauf? Er werde sich darum kümmern, aber er sehe keine Gefahr in den Ausgrabungsarbeiten Chaim Rafuls. Die Kirche habe schon schwerere Stürme unbeschadet überstanden. Ja, sie hatte schon schwere Stürme überstanden, jedoch hatte sie für ihren Fortbestand jedes Mal einen hohen Blutzoll entrichtet.
Chaim Raful, dieser Ungläubige, dieser jüdische Hexenmeister, der alles daransetzte, die römische Kirche dort zu treffen, wo sie am empfindlichsten war, dieser Teufel in Menschengestalt würde wieder eine breite Bresche in die Reihen der Gläubigen schlagen, bis außer lauter Zweiflern niemand mehr übrig wäre. Und Pater Leonardo lächelte nur und tat die Attacke dieses Kirchenfeindes mit einer einfachen Handbewegung ab. Gerade so, als könne man Raful wie eine lästige Fliege verscheuchen.
Kardinal Borghese kochte innerlich, wenn er nur darüber nachdachte. Was war nur aus dieser Kirche geworden? Immer mehr Bänke blieben in den Heiligen Messen unbesetzt, immer weniger
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