Die Bruderschaft Christi
vom Erdboden verschwunden.«
Dekan Yerud nickte. »So ist er manchmal. Ein wenig eigenartig, aber ein sehr guter Wissenschaftler. Wenngleich er nicht gerade erfreut über Ihre Anwesenheit hier wäre, ehrwürdiger Pater.«
Pater Phillipo winke ab. »Ich kenne seine Vorbehalte gegen Rom. Aber ich bin nicht als Kirchenvertreter hier, sondern als Wissenschaftler und Altertumsforscher, so wie Sie. Es ist mir ein ganz persönliches Anliegen, mich über den Fortgang der Ausgrabungen informieren zu dürfen. Ich hörte, hier wurde die Grabstätte eines Kreuzritters entdeckt?«
Hawke lächelte. »Ein Kreuzfahrer aus dem frühen elften Jahrhundert. Sein Name war Renaud de Saint-Armand. Mittlerweile hat eine Kollegin den Namen einer französischen Adelsfamilie aus Hautefort zuordnen können. Er war Mitglied des Templerordens und nahm am ersten Kreuzzug teil. Vielleicht sogar einer der ersten neun Templer, die sich um Hugo de Payens scharten. Im Gegensatz zu vielen seiner Mitstreiter ist er hier im heiligen Land geblieben.«
»Das klingt äußerst spannend«, entgegnete der Pater. »Ich hörte, der Sarkophag wurde ins Rockefeller Museum gebracht?«
Hawke nickte. »Professor Chaim Raful wollte sich der weiteren Erforschung des Zufallfundes annehmen. Wir arbeiten hier weiter an der Freilegung einer römischen Garnison aus der Zeit um Jesus Christus.«
»Das Erbe der Römer ist reichhaltig in diesem Land«, erwiderte der Pater. »Allerdings hat man noch keinen so gut erhaltenen Kreuzfahrer hier gefunden. Da ich meine wissenschaftliche Arbeit dem Kreuzfahrertum widme und mich Rom deswegen freistellte, ist es mir natürlich ein wichtiges Anliegen, an Ihrem Fund teilhaben zu können. Wobei es mir durchaus klar ist, dass es sich um eine Ausgrabung der Bar-Ilan-Universität und nicht der École oder des Amtes für Altertümer handelt. Ich möchte Sie jedoch bitten, sich meinem Wunsch nicht zu verschließen.«
Hawke dachte an Rafuls Worte über die Kirche und die damaligen Ausgrabungen bei Khirbet Qumran. »Ich bin hier selbst nur ausführender Wissenschaftler vor Ort«, entgegnete er diplomatisch. »Chaim Raful ist der organisatorische Leiter, das müssten Sie mit ihm besprechen.«
Dekan Yerud hob beschwichtigend die Hände. »Mein lieber Herr Hawke, die Bar-Ilan-Universität ist ein Haus des Wissens, keines der Geheimniskrämerei. Professor Raful können Sie getrost meine Sorge sein lassen. Er wird mit den Zähnen knirschen, aber letztendlich meine Entscheidung respektieren. Schließlich ist Pater Phillipo ein Kollege, und wir arbeiten nicht in Konkurrenz. Das wäre ja noch schöner.«
Hawke zuckte die Schultern. »Von mir aus kann Pater Phillipo an unseren Ausgrabungen teilnehmen. Wir sind über jede Hilfe erfreut, wobei allerdings jeder im Team feste Aufgaben hat.«
Pater Phillipo lächelte. »Ich werde mich Ihren Anordnungen unterordnen, Professor Hawke. Das ist überhaupt kein Problem.«
»Dann also, willkommen im Team«, antwortete Jonathan Hawke.
Jerusalem, Kloster der Flagellatio, am Neuen Tor …
Pater Leonardo lehnte sich in dem bequemen Sessel zurück und presste den Telefonhörer gegen sein Ohr.
»Es läuft alles zu unserer Zufriedenheit, Eure Eminenz«, sagte er mit einem süffisanten Lächeln.
»Da sind mir aber ganz andere Nachrichten zu Ohren gekommen«, entgegnete der Kardinalpräfekt. »Wie ich hörte, ist der Professor untergetaucht.«
Pater Leonardos Lächeln verschwand aus seinem Gesicht. Überraschung machte sich breit. Doch er ließ sich nichts anmerken. Woher wusste der Kardinalpräfekt, dass Chaim Raful verschwunden war?
»Ich … Pater Phillipo wird ab sofort an den Grabungsarbeiten teilnehmen«, beeilte sich Pater Leonardo zu berichten. »Bestimmt taucht der Professor bald wieder auf. Es ist nur eine Frage der Zeit.«
»Auch der Tag des Jüngsten Gerichts ist nur eine Frage der Zeit«, erwiderte der Kardinalpräfekt. »Ich will wissen, wo sich Raful aufhält und an was er arbeitet. Es muss sich etwas in dem Sarkophag befunden haben, das für Raful von äußerster Wichtigkeit ist und unserer Kirche nachhaltig schaden könnte. Raful muss gefunden werden, umgehend, haben Sie mich verstanden?«
Pater Leonardo fuhr sich über seinen Hals. Trotz der Kühle, die in den hohen Räumen des Klosters herrschte, wurde ihm heiß auf der Stirn. Ein Schweißtropfen rann seinen Hals hinunter. »Ich werde mich sofort darum kümmern, Eure Eminenz«, entgegnete er.
»Sie kümmern sich um alles und
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