Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)
dass sie auf Katastrophenpsychiatrie spezialisiert war. Der Boden war mit einem strapazierfähigen grauen Teppichboden ausgelegt. Ihr Schreibtisch war ordentlich und zweckmäßig. Neben dem Telefon stand ein Einwegbecher, daneben lagen die Überreste eines Bagels.
»Ich esse, wenn ich dazu komme«, sagte sie und räumte alles weg, was von ihrem Lunch übrig war. »Wenn Sie Hunger haben, können wir etwas in der Kantine besorgen.«
Ich sagte ihr, dass ich nichts wollte. Sie deutete auf den Plastikstuhl vor ihrem Schreibtisch und wartete, bis ich Platz genommen hatte, bevor sie sich setzte.
»Womit kann ich Ihnen behilflich sein, Mr Parker?«
»Soweit ich weiß, führen Sie Forschungen über posttraumatische Belastungsstörungen durch.«
»Das stimmt.«
»Mit dem Schwergewicht auf Selbstmorde.«
»Auf Selbstmordprävention«, berichtigte sie mich. »Darf ich fragen, wer Ihnen von mir erzählt hat?«
Vermutlich lag es an meiner natürlichen Abneigung gegenüber jeder Art von Autorität, vor allem der Autorität, die das Militär darstellte, aber ich fand es besser, Ronald Straydeer vorerst außen vor zu lassen.
»Das möchte ich lieber nicht sagen«, erwiderte ich. »Ist das ein Problem?«
»Nein, ich war nur neugierig. Ich habe es nicht oft mit Privatdetektiven zu tun, die mit mir sprechen möchten.«
»Mir ist aufgefallen, dass Sie nicht gefragt haben, worum es geht, als wir miteinander telefoniert haben.«
»Ich habe ein paar Erkundigungen über Sie eingeholt. Sie haben einen ziemlich guten Ruf. Die Gelegenheit, Sie kennenzulernen, konnte ich mir schwerlich entgehen lassen.«
»Mein Ruf ist übertrieben. Ich würde nicht alles glauben, was in der Zeitung steht.«
Sie lächelte. »Ich habe nicht gelesen, was über Sie in der Zeitung stand. Ich wende mich lieber an Menschen.«
»Dann haben wir etwas gemeinsam.«
»Das ist möglicherweise das Einzige. Sagen Sie mal, Mr Parker, waren Sie schon einmal in Therapie?«
»Nein.«
»Trauertherapie?«
»Nein. Wollen Sie ins Geschäft kommen?«
»Wie Sie festgestellt haben, befasse ich mich mit posttraumatischen Belastungsstörungen.«
»Und ich komme Ihnen wie ein Kandidat dafür vor.«
»Tja, würden Sie mir nicht beipflichten? Ich weiß, was Ihrer Frau und Ihrem Kind widerfahren ist. Es war entsetzlich, nahezu unfassbar. Ich sage ›nahezu‹, weil ich meinem Land im Irak gedient habe, und was ich dort gesehen habe, was ich dort ertragen musste, hat mich verändert. Jeden Tag muss ich mich mit den Folgen von Gewalt befassen. Man könnte sagen, dass ich die entsprechende Erfahrung habe, um das einordnen zu können, was Sie durchgemacht haben und möglicherweise immer noch durchmachen.«
»Spielt das eine Rolle?«
»Durchaus, wenn Sie mit mir über posttraumatische Belastungsstörungen sprechen wollen. Alles, was Sie dazu heute in Erfahrung bringen werden, wird davon abhängig sein, inwieweit Sie verstehen, worum es sich handelt. Dieses Verständnis wird umso größer sein, wenn Sie es in einen persönlichen Bezug setzen können, und sei es auch nur annähernd. Sind wir uns soweit darüber im Klaren?«
Sie lächelte nach wie vor. Es wirkte auch nicht herablassend, doch es war eine knappe Sache.
»Absolut.«
»Gut. Meine Forschungen sind ein Bestandteil der laufenden Bemühungen vonseiten des Militärs, mit den psychischen Auswirkungen des Kampfeinsatzes umzugehen, und zwar sowohl auf die Menschen, die gedient haben und als Invalide ausgeschieden sind, wie auch auf diejenigen, die aus Gründen, die nichts mit einer Verwundung zu tun haben, die Streitkräfte verlassen haben. Das ist ein Aspekt davon. Daneben geht es darum, Traumata vorzubeugen. Im Moment führen wir stufenweise ein Programm zur Stärkung der emotionalen Widerstandskraft ein, mit dem die Leistungsfähigkeit im Kampfeinsatz verbessert und die Gefahr, dass psychische Schwierigkeiten wie PTBS , Wutanfälle, Depressionen und Selbstmordgefahr auftreten, verringert werden soll. Diese Symptome sind immer öfter erkennbar, wenn Soldaten sich wiederholt für Auslandseinsätze verpflichten.
Nicht jeder Soldat, der ein Trauma durchmacht, leidet unter posttraumatischen Belastungsstörungen, so wie auch Menschen im zivilen Leben anders auf, sagen wir mal, einen Überfall, eine Vergewaltigung, eine Naturkatastrophe oder den Tod eines engen Verwandten reagieren. Es gibt eine Stressreaktion, aber eine PTBS muss nicht zwangsläufig die Folge sein. Psychische und genetische Vorgaben, die körperliche
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