Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)
Geschäft seines Vaters eingestiegen und hatte sich seither von allen Unannehmlichkeiten ferngehalten. Das hieß allerdings nicht, dass er viel für das Gesetz übrighatte, und da er damals von jemandem verpfiffen worden war, würde er seinerseits vermutlich niemanden verpfeifen. Er mochte nicht viel von Joel Tobias halten, aber mich zu engagieren, statt zur Polizei zu gehen, war ein für ihn sehr typischer Kompromiss, dachte ich. Denn als er mich bat, einen Mann zu durchleuchten, erhoffte er sich davon, dass der wahre Grund für den Tod eines anderen herauskam.
Heute ist nichts mehr geheim. Mit ein bisschen Raffinesse und Kohle kann man eine ganze Menge über Leute herausfinden, das ihrer Meinung nach oder wenn es nach ihnen ginge lieber vertraulich oder geschützt sein sollte. Noch einfacher ist es, wenn man eine Lizenz als Privatdetektiv hat. Innerhalb einer Stunde hatte ich sämtliche Auskünfte über Joel Tobias’ Kreditwürdigkeit auf meinem Schreibtisch liegen. Soweit ich sehen konnte, lagen keine offenen Vollstreckungsbefehle gegen ihn vor, und er hatte noch nie Ärger mit der Polizei bekommen. Seit er vor etwa einem guten Jahr wegen Invalidität aus dem Militärdienst ausgeschieden war, hatte er offenbar hart gearbeitet, seine Rechnungen bezahlt und allem Anschein nach ein geregeltes Arbeitsleben geführt.
Eines der Lieblingswörter meines Großvaters war »eigenartig«. Milch, die am Umkippen war, konnte ein bisschen eigenartig schmecken. Ein leises, nahezu unhörbares Geräusch im Motor seines Autos könnte darauf hindeuten, dass irgendetwas mit dem Vergaser eigenartig war. Für ihn war etwas, das eigenartig war, beunruhigender, als wenn etwas offenkundig nicht in Ordnung war, weil sich der Fehler nicht dingfest machen ließ. Er wusste, dass einer vorlag, konnte ihn sich aber nicht vornehmen. War etwas nicht in Ordnung, konnte man sich entweder darum kümmern oder damit leben, aber wenn etwas eigenartig war, brachte es ihn um den Schlaf.
Bei Joel Tobias’ Geschäften war irgendetwas eigenartig. Die Zugmaschine mit Schlafkabine hatte ihn fünfundachtzigtausend Dollar gekostet. Im Gegensatz zu Bennetts Aussage war sie nicht ganz neu gewesen, als er sie angeschafft hatte, aber so gut wie. Gleichzeitig hatte er für weitere zehntausend einen Aufleger gekauft, einen geschlossenen Anhänger. Er hatte fünf Prozent angezahlt und stotterte den Rest monatlich ab, zu einem Zinssatz, der nicht allzu hoch war und sogar als ziemlich günstig durchgehen könnte, aber dennoch kostete ihn das etwa zweieinhalbtausend Dollar im Monat. Darüber hinaus hatte er sich im gleichen Monat einen Chevrolet Silverado zugelegt. Er hatte einen ziemlich guten Preis ausgehandelt: achtzehntausend Dollar, sechstausend unter dem offiziellen Listenpreis, und davon zahlte er 280 Dollar im Monat ab. Schließlich waren da noch die Kosten für die Hypothek auf seinem Haus in Portland, an einer Nebenstraße der Forest Avenue und damit unweit des Great Lost Bear gelegen, die sich auf weitere tausend pro Monat beliefen. Das Haus hatte seinem Onkel gehört, der bereits mit Zins und Tilgung in Verzug geraten war, als er es Joel in seinem Testament vermachte. Das hieß, dass Tobias alles in allem fast fünftausend Dollar im Monat einnehmen musste, nur um sich über Wasser zu halten, und dazu kamen noch Kosten für Versicherung, medizinische Versorgung, Benzin für den Chevy, Lebensmittel, Heizung, Bier und was er sonst noch brauchte, um ein einigermaßen angenehmes Leben zu führen. Wenn man für all das, konservativ gerechnet, weitere tausend Dollar im Monat ansetzte, musste Tobias im Jahr um die siebzigtausend Dollar nach Steuern verdienen. Das war zu schaffen, wenn man bedachte, dass er als Eigentümer und Fahrer etwa neunzig Cent die Meile plus Treibstoffkosten verlangen konnte, aber dazu müsste er viele Überstunden machen und eine Menge Meilen runterreißen. Darüber hinaus bekam er vermutlich eine Abfindung für die verletzte Hand und vielleicht für das Bein. Schätzungsweise bezog er für seine Verletzungen von irgendwoher zwischen fünfhundert und zwölfhundert Dollar steuerfrei pro Monat, was ihm beim Bezahlen seiner Rechnungen ein bisschen helfen dürfte, aber trotzdem musste er noch eine Menge Kohle auf der Straße verdienen. Seine Kreditwürdigkeit blieb konstant, er war bei der Tilgung noch nie in Verzug geraten, und er zahlte seine Steuern.
Aber nach Aussage von Bennett beziehungsweise dessen Eindruck arbeitete Tobias nicht so
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