Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)

Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)

Titel: Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
Vom Netzwerk:
noch ein heller Streifen. Ich fuhr nach Portland und kutschierte an Joel Tobias’ Haus vorbei. Es war ein gut gepflegter, einstöckiger Bau. Der Silverado stand auf der Zufahrt, aber der große Sattelzug war nirgendwo zu sehen. In einem Zimmer im Obergeschoss brannte Licht, das durch die teilweise zugezogenen Vorhänge fiel, aber noch während ich hinschaute wurde es gelöscht, und das Haus versank in Dunkelheit.
    Ich wartete noch einen Moment und betrachtete das Haus, dachte an Karen Emorys Miene und die Art und Weise, wie Tobias neben meinem Ellbogen aufgetaucht war, dann fuhr ich zurück nach Scarborough und meinem stillen Haus. Einst waren eine Frau, ein Kind und ein Hund bei mir gewesen, aber sie waren jetzt in Vermont. Ich besuchte meine Tochter Sam ein-, zweimal im Monat, und manchmal kam sie auch zu mir und blieb über Nacht, wenn Rachel, ihre Mutter, in Boston etwas zu erledigen hatte. Rachel ging mit jemand anderem, und deshalb störte ich sie nur ungern, zumal ich manchmal das Gefühl hatte, dass sie es mir übelnahm. Aber ich wahrte auch Abstand, weil ich nicht wollte, dass ihnen etwas zustieß, denn das Unheil folgte mir.
    Ihre Stelle hatten die Schatten einer anderen Frau und eines Kindes eingenommen, die ich nicht mehr sah, aber trotzdem wahrnahm, wie den anhaltenden Duft von Blumen, die weggeworfen worden waren, als die Blütenblätter abfielen. Sie beunruhigten mich nicht mehr, diese verstorbene Frau und das Kind. Sie waren mir von einem Mörder genommen worden, dem ich wiederum das Leben genommen hatte, und aus lauter Schuldbewusstsein und Wut hatte ich zugelassen, dass sie eine Zeitlang in feindselige, rachsüchtige Wesen verwandelt wurden. Aber das war vorbei – jetzt tröstete mich das Gefühl, sie um mich zu haben, denn ich wusste, dass sie bei allem, was da noch kommen sollte, eine Rolle zu spielen hatten.
    Das Haus war warm, als ich die Tür öffnete, und vom Salzgeruch der Marschen erfüllt. Ich spürte die Leere der Schatten, die Gleichgültigkeit der Stille und schlief sanft und allein.

3
    Jeremiah Webber hatte sich gerade ein Glas Wein eingegossen, um sich auf die Zubereitung seines Abendessens einzustimmen, als es an der Tür klingelte. Webber ließ sich nicht gern in seinen gewohnten Tagesabläufen unterbrechen, und die Donnerstagabende in seinem relativ bescheidenen Haus – bescheiden jedenfalls nach den gehobenen Maßstäben von New Canaan, Connecticut – waren sakrosankt. Donnerstagabends schaltete er sein Handy aus, ging nicht an den Festnetzapparat (und seine wenigen Freunde, die seine Marotten kannten, wussten, dass sie ihn nicht stören durften, es sei denn, jemand war gestorben oder würde demnächst das Zeitliche segnen), und selbstverständlich reagierte er auch nicht, wenn es an der Tür läutete. Seine Küche lag im hinteren Teil des Hauses, und die Tür war stets geschlossen, wenn er kochte, so dass nur ein dünner Lichtstrahl durch das Glas der Vordertür zu sehen war. Im Wohnzimmer brannte eine Lampe und eine weitere in seinem Büro im Obergeschoss, aber ansonsten war im Haus kein Licht an. Auf der Stereoanlage in der Küche lief leise Bill Evans. Webber überlegte an den vorangegangenen Wochentagen immer ganz genau, welche Musik er beim Kochen und Essen spielen wollte, welchen Wein er zu seinem Mahl genießen und welches Geschirr er bereitstellen wollte. Die kleinen Genüsse halfen ihm, bei Sinnen zu bleiben.
    Daher würde ihn jemand, der ihn kannte, wahrscheinlich nicht am Donnerstagabend stören, und diejenigen, die nicht genau wussten, ob er da war oder nicht, konnten es anhand der Beleuchtung im Haus nicht feststellen. Selbst seine meistgeschätzten Kunden, darunter reiche Männer und Frauen, die es gewohnt waren, dass ihre Bedürfnisse zu jeder Tages- und Nachtzeit gestillt wurden, fanden sich mittlerweile damit ab, dass Jeremiah Webber am Donnerstagabend nicht zu sprechen war. Sein Tagesablauf war an diesem Donnerstag bereits durch eine Reihe längerer Telefongespräche etwas durcheinandergeraten, so dass er erst nach acht nach Hause gekommen war, und jetzt war es fast neun, und er hatte noch immer nicht gegessen. Umso weniger war ihm nach einer Störung zumute.
    Webber war ein kultivierter, dunkelhaariger Mann von Anfang fünfzig, der auf eine Art und Weise, die man für ein wenig feminin halten könnte, gut aussah, ein Eindruck, der noch verstärkt wurde durch seine Vorliebe für getupfte Fliegen, helle Westen und eine ganze Palette kultureller

Weitere Kostenlose Bücher