Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)
viele Stunden, wie er könnte. Genau genommen schien Tobias keinerlei finanzielle Sorgen zu haben, was darauf hindeutete, dass von irgendwoher Geld kommen musste, das er nicht mit dem Fahren verdiente oder aus der Versehrtenkasse bezog. Entweder das oder er hatte Geld auf der hohen Kante liegen und subventionierte sein Unternehmen mit seinen Ersparnissen, was wiederum hieß, dass er nicht allzu lange im Geschäft bleiben würde.
So sah es also aus. Irgendetwas an Joel Tobias war nicht ganz astrein. Die Kohle kam von irgendwo anders. Es kam nur darauf an, die Herkunft dieses zusätzlichen Einkommens festzustellen, und Bennett hatte etwas erzählt, das darauf hindeutete, dass ich eine gut begründete Vermutung hinsichtlich dieser Geldquelle riskieren konnte. Bennett hatte gesagt, Tobias fahre zwischen Maine und Kanada hin und her. Das hieß, dass er die Grenze überqueren musste, und das lief wiederum auf Schmuggel hinaus.
Und da es sich um die Grenze zwischen Kanada und Maine handelte, lief es auf Drogen hinaus.
Einem Artikel in der New York Times zufolge wäre »zur Bekämpfung des Schmuggels entlang der Grenze zwischen Maine und Kanada eine kleine Armee erforderlich, so wild ist der Großteil des Territoriums, und so zahlreich und unterschiedlich sind die Gelegenheiten«. Der fragliche Artikel wurde 1892 geschrieben, und er war damals ebenso zutreffend wie heute. Ende des neunzehnten Jahrhunderts waren die Behörden hauptsächlich aufgrund der Zolleinbußen beim Handel mit Schnaps, Fisch, Rindern und landwirtschaftlichen Erzeugnissen besorgt, aber auch Drogen wurden ein Thema, da Opium unter Zollverschluss nach New Brunswick eingeführt und von dort aus über Maine in die Vereinigten Staaten transportiert wurde. Der Staat hatte eine vierhundert Meilen lange Landesgrenze mit Kanada, der Großteil davon in der Wildnis gelegen, sowie eine dreitausend Meilen lange Küste und etwa vierzehnhundert kleine Inseln. Damals wie heute war das ein Paradies für Schmuggler.
Als sich die Drug Enforcement Administration ( DEA ), der die Drogenbekämpfung obliegt, zunehmend auf die südliche Grenze mit Mexiko konzentrierte, wurde New England zu einer reizvollen Ausweichmöglichkeit für Grasschmuggler, zumal die Studenten der zweihundertfünfzig Colleges einen vielversprechenden Markt darstellten. Man musste sich lediglich ein Boot kaufen, Jamaika oder Kolumbien ansteuern und dann eine bewährte Route fahren, auf der man jeweils eine Tonne in Florida, South und North Carolina, Rhode Island und schließlich Maine abladen konnte. Seitdem hatten sich die Mexikaner hier ebenso eine Einkommensmöglichkeit verschafft wie diverse Südamerikaner, Bikergangs und alle möglichen anderen, die der Meinung waren, hart genug drauf zu sein, um einen Anteil am Drogenmarkt erobern und ihn behalten zu können.
Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück und starrte durch das Fenster auf die Salzmarschen und die Meeresvögel, die über die Gewässer flitzten. Im Süden stieg eine dünne, dunkle Rauchsäule zum Himmel auf, die sich langsam in der stehenden Luft auflöste und eine feine Schmutzspur hinterließ, die den ansonsten makellos blauen Himmel an einem allmählich zur Neige gehenden Tag trübte. Ich rief Bennett Patchett an, der bestätigte, dass Karen Emory arbeitete. Ihre Schicht endete um sieben Uhr abends, und soweit Bennett wusste, wurde Joel Tobias vorbeikommen und sie abholen. Er machte das oft, wenn er nicht unterwegs war. Karen hatte Bennett auf dessen Frage hin, ob sie an diesem Abend etwas länger arbeiten könnte, erklärt, dass sie nicht könne, weil sie und Joel essen gehen wollten. Sie hatte gesagt, Joel hätte in den kommenden Wochen eine Menge Kanadatouren, und infolgedessen hätten sie nicht viel Zeit füreinander. Und da ich nichts Besseres zu tun hatte, beschloss ich, mir Joel Tobias und seine Freundin einmal anzusehen.
Das Downs war ein ziemlich großer Laden, der hundert Gäste und mehr fasste, vorausgesetzt, die Küche war voll besetzt und die Bedienungen waren bereit, sich ihr Trinkgeld im Schweiße ihres Angesichts zu verdienen. Durch große Glasfenster blickte man auf die Route 1 und den Parkplatz der Bowlinghalle Big 20 auf der anderen Straßenseite. Ein großer Tresen, der nach Norden und Süden abknickte und eine Art verlängertes U bildete, zog sich fast durch den ganzen Raum. Die Wände wurden von viersitzigen Nischen gesäumt, und eine weitere Reihe von Viersitzern bildete mitten im Restaurant eine Insel aus
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