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Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)

Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)

Titel: Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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einer ihrer Nägel ab, und der Schmerz brachte sie wieder zur Besinnung. Sie ließ das Kästchen fallen, als hätte sie sich die Hand daran verbrannt. Sie meinte, etwas abgrundtief Böses vor sich zu haben, hatte das Gefühl, einem intelligenten Wesen, das ihr nur Leid zufügen wollte und ihr übelnahm, dass sie es berührt hatte, zu nahe gekommen zu sein. Sie wollte weglaufen, aber sie war nicht mehr allein im Keller, denn in der Ecke links von ihr, genau gegenüber der Treppe, bewegte sich etwas.
    »Joel?«, fragte sie. Ihre Stimme bebte. Er würde bestimmt sauer auf sie sein. Sie sah regelrecht vor sich, wie sie aneinandergeraten würden, meinte seine Wut zu spüren, weil sie hier eingedrungen war, und ihre ebenso, weil er gestohlene Artefakte im Keller ihres Hauses hortete. Sie hatten sich beide schuldig gemacht, doch ihr Vergehen war unbedeutend im Vergleich zu seinem, aber ihr war auch klar, dass er es nicht so sehen würde. Sie wollte nicht schon wieder von ihm geschlagen werden. Allmählich kam sie wieder zur Vernunft: Joel hatte sich auf eine schwere Straftat eingelassen, und das war schlimm genug. Aber das Kästchen … das Kästchen war etwas völlig anderes. Das Kästchen war verdorben. Sie musste von ihm wegkommen. Sie beide. Wenn Joel sich nicht anschließen wollte, würde sie alleine gehen.
    Wenn er mich gehen lässt, dachte sie. Wenn er sich mit bloßen Schlägen begnügt, sobald er herausfindet, was ich getan habe. Sie dachte wieder an die Waffen in seinem Schrank, vor allem aber an das Bajonett. Joel hatte es ihr einmal gezeigt, als sie ihn in einer Ecke seines Zimmers hockend vorgefunden hatte, die Augen wegen seines toten Kameraden Brett Harlan rot geweint. Es war ein M9-Bajonett, das gleiche, mit dem Harlan über seine Frau hergefallen war, bevor er sich die Kehle durchgeschnitten hatte.
    Weil das Kästchen ihn dazu gebracht hat.
    Sie erschauderte angesichts der jähen Erkenntnis, die ihr kam, während sie angestrengt in die Dunkelheit spähte, bevor sie wieder an die Taschenlampe dachte. Sie griff danach und richtete den Strahl in die eine Ecke. Schatten bewegten sich dort – die Umrisse von Gartengeräten und Flaschenstapeln, die Rahmen der Regale, aber auch noch etwas anderes, eine Gestalt, die vor dem Licht davontanzte, mit der Dunkelheit unter der Treppe verschmolz; ein abscheuliches Wesen, vom Lichtstrahl verzerrt, aber auch von Grund auf widernatürlich, verkrümmt und verkrüppelt. Sie konnte es beinahe riechen: modrig und alt, mit einem Stich von ausrangierter brennender Kleidung.
    Das war nicht Joel – das war nicht einmal ein menschliches Wesen.
    Sie versuchte ihm mit der Taschenlampe zu folgen. Ihre Hände zitterten, deshalb schlang sie sämtliche Finger um die Maglite und drückte sie an ihren Körper. Sie leuchtete unter die Treppe, worauf die Gestalt erneut davontanzte, ein Schemen ohne feste Form, wie Rauch, der von einer unsichtbaren Flamme aufsteigt. Jetzt regte sich auch rechts von ihr etwas. Sie riss die Lampe herum, und einen Moment lang zeichnete sich eine Gestalt an der Wand ab, bucklig, die Arme und Beine zu lang für den Oberkörper, das Schädeldach von wulstig wuchernden Knochen verformt. Es war sowohl real als auch unwirklich, ein Schemen, der aus dem Kästchen zu wabern schien, als ob das, was darin gebannt war, heraussickerte wie Pestilenzgestank.
    Und das Flüstern hatte wieder eingesetzt – die Stimmen sprachen über sie. Sie waren beunruhigt, aufgebracht. Sie hätte das Kästchen nicht berühren sollen. Sie wollten nicht mit ihren Fingern in Berührung kommen, ihren Frauenhänden. Schmutzig. Unrein.
    Blut.
    Sie hatte ihre Periode. Sie hatte an diesem Morgen eingesetzt.
    Blut.
    Besudelt.
    Blut.
    Sie wussten Bescheid. Sie rochen es an ihr. Sie wich zurück, versuchte zur Treppe zu gelangen, nahm die drei Gestalten wahr, die sie wie Wölfe umkreisten, in steter Bewegung waren, damit sie außer Reichweite des Lichtes blieben, selbst als sie ihr näher rückten. Sie schwenkte die Taschenlampe wie eine brennende Fackel, stach damit in die Dunkelheit, um sie sich vom Leib zu halten, kehrte ihren Rücken den Regalen zu, dann der Wand, bis sie schließlich die Treppe hinter sich hatte und ihr Fuß auf der untersten Stufe stand. Langsam stieg sie hinauf. Mit einem Mal flackerte die Glühbirne über ihr und wurde dunkel, dann ging die Taschenlampe aus.
    Sie sind das. Sie mögen die Dunkelheit.
    Jetzt drehte sie sich um, torkelte die letzten Stufen hoch, und als sie

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