Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)
können.«
Seine dunklen Augen funkelten wie geschliffene Spinelle. Webber war wie gebannt. Er nickte einmal, und Herod tat es ihm gleich.
»Die Geschäfte waren in letzter Zeit schwierig«, sagte Webber. Seine Augen brannten, und die Wörter kamen nur stockend heraus, als würde er jeden Moment schluchzen.
»Das weiß ich. Für viele Menschen sind schwere Zeiten angebrochen.«
»Ich habe mich noch nie so verhalten. Thule hat sich wegen einer anderen Angelegenheit an mich gewandt, und es ist mir einfach herausgerutscht. Ich war verzweifelt. Es war falsch. Ich entschuldige mich, bei Ihnen und der Stiftung.«
»Ihre Entschuldigung wird angenommen. Leider müssen wir jetzt über die Frage der Wiedergutmachung sprechen.«
»Die Hälfte des Geldes ist bereits weg. Ich weiß nicht, an welche Summe Sie gedacht haben, aber –«
Herod wirkte überrascht. »Oh, es geht nicht ums Geld«, sagte er. »Wir brauchen kein Geld.«
Webber seufzte vor Erleichterung. »Was dann?«, fragte er. »Wenn Sie Hinweise auf interessante Stücke brauchen, kann ich Ihnen zu einem ermäßigten Preis welche liefern. Ich kann ein paar Fragen stellen, mich bei meinen Ansprechpartnern erkundigen. Ich bin mir sicher, dass ich etwas finden werde, das Sie für das entgangene Grimoire entschädigen wird und –«
Er verstummte. Ein brauner Briefumschlag mit kartoniertem Rücken, wie man ihn für Fotos benutzt, lag jetzt auf dem Tisch.
»Was ist das?«, fragte Webber.
»Öffnen Sie ihn und sehen Sie nach.«
Webber nahm den Umschlag. Weder eine Adresse noch ein Name stand darauf, und er war nicht zugeklebt. Er griff hinein und holte ein Farbfoto heraus. Er erkannte die Frau auf dem Foto, die geknipst worden war, ohne die Kamera wahrzunehmen. Ihr Kopf war leicht nach rechts gedreht, während sie einen Blick nach hinten warf und jemandem zulächelte, der außerhalb des Bildes war.
Es war seine Tochter Suzanne.
»Was soll das heißen?«, fragte er. »Wollen Sie mir mit meiner Tochter drohen?«
»Nichts dergleichen«, sagte Herod. »Wie ich Ihnen schon sagte, hält die Stiftung sehr viel von freiem Willen. Sie hatten bei dem Grimoire Entscheidungsfreiheit, und die haben Sie genutzt. Ich habe die Anweisung, Ihnen jetzt ebenfalls freie Wahl zu lassen.«
Webber schluckte. »Fahren Sie fort.«
»Die Stiftung hat die Schändung und Ermordung Ihrer Tochter bewilligt. Vielleicht ist es Ihnen ein Trost, dass dies nicht in dieser Reihenfolge geschehen muss.«
Webber blickte unwillkürlich zu seinem Revolver, dann wollte er danach greifen.
»Ich sollte Sie vielleicht darauf hinweisen«, fuhr Herod fort, »dass Ihre Tochter den nächsten Morgen nicht mehr erleben wird und weitaus mehr leiden muss, wenn mir irgendetwas zustoßen sollte. Möglicherweise haben Sie für diese Waffe noch Verwendung, Mr Webber, aber jetzt nicht. Lassen Sie mich ausreden, dann dürfen Sie nachdenken.«
Da er nicht wusste, was er tun sollte, unternahm Webber nichts, und damit war sein Schicksal besiegelt.
»Wie ich schon sagte«, fuhr Herod fort, »wurde eine Maßnahme bewilligt, aber sie muss nicht in die Tat umgesetzt werden. Es gibt noch eine andere Möglichkeit.«
»Die da wäre?«
»Sie nehmen sich das Leben. Das ist die Wahl, die Sie haben: Ihr Leben und ein schnelles Ende, oder das Leben Ihrer Tochter, das ihr langsam und unter großem Schmerz genommen wird.«
Webber starrte Herod wie vom Donner gerührt an.
»Sie sind ja wahnsinnig.« Doch schon als er es sagte, wusste er, dass es nicht stimmte. Er hatte Herod in die Augen geschaut und erkannt, dass er seine sämtlichen Sinne beisammenhatte. Jemand konnte durch heftige Schmerzen durchaus in den Wahnsinn getrieben werden, aber bei diesem Mann, der ihm gegenübersaß, war dies nicht der Fall. Trotz seines Leidens war er bei klarem Verstand – er hatte keine Illusionen, was den Zustand der Welt anging, sondern Verständnis dafür, dass deren Bewohner dazu fähig waren, einander Schmerzen zuzufügen.
»Nein, keineswegs. Sie haben fünf Minuten Zeit für Ihre Entscheidung. Danach wird es zu spät sein, um das zu verhindern, was geschehen wird.«
Herod lehnte sich zurück. Webber ergriff die Waffe und richtete sie auf ihn, aber Herod zuckte nicht mit der Wimper.
»Rufen Sie an. Sagen Sie ihnen, sie sollen sie in Ruhe lassen.«
»Dann haben Sie also Ihre Entscheidung getroffen?«
»Nein. Da gibt es nichts zu entscheiden. Ich warne Sie, wenn Sie den Anruf nicht machen, werde ich Sie töten.«
»Dann wird Ihre
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