Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)
Stimmen.
»Yeah«, flüsterte er. »Das gefällt euch nicht, was? Bald könnt ihr jemand anders nerven, und dann hab ich’s hinter mir. Ich werde mein Geld nehmen und von hier abhauen. Ich bin sowieso schon viel zu lange hier. Ich suche mir ein warmes Fleckchen und verkrieche mich dort, jawohl.«
Er blickte auf den Werkzeugkasten. Er war zu schwer, als dass er ihn zur Hütte schleppen wollte, und möglicherweise brauchte er ihn bald wieder. Nummer 15 war nur mit einer Sperrholzplatte gesichert. Er stemmte mit einem Schraubenzieher die beiden Nägel heraus, mit der sie befestigt war, und stellte den Kasten in das dunkle Zimmer. Er erkannte die Umrisse des alten Schrankes auf der linken Seite und das blanke Bettgestell, das nur noch aus rostigen Federn und schiefen Pfosten bestand und aussah wie das Skelett eines seit langem toten Lebewesens.
Er drehte sich um und starrte die Wand an, die dieses Zimmer von Nummer 14 trennte. Die Farbe blätterte ab und warf stellenweise Blasen. Er legte die Hand an eine der Farbblasen und spürte, wie sie nachgab. Er rechnete damit, dass sie sich feucht anfühlte, doch dem war nicht so. Sie war vielmehr warm, wärmer als sie sein sollte, so als loderte ein Feuer in dem Zimmer auf der anderen Seite. Er strich mit der Hand an der Wand entlang, bis er auf eine kühlere Stelle stieß, an der die Farbe unversehrt war.
»Was zum –«, sagte er und erschrak beim Klang seiner eigenen Stimme, als hätte nicht er gesprochen, sondern jemand, der neben ihm stand und ihm zusah, ein Mann, der älter wirkte, als er war, durch Krieg und Trauer geschädigt, von Telefonen heimgesucht, die mitten in der Nacht klingelten, und von Stimmen, die in einer unbekannten Sprache redeten.
Denn als seine Hand an der Wand lag, spürte er, wie die kühle Stelle allmählich wärmer wurde. Nein, nicht nur warm, sondern heiß. Er schloss kurz die Augen und meinte mit einem Mal ein Bild zu sehen – ein Bild von einem Wesen, das im Zimmer nebenan hauste, eine verkrüppelte und verkrümmte Gestalt, die von innen heraus brannte, die Hand auf ihrer Seite an die Wand legte und der Bewegung des Mannes auf der anderen Seite folgte, wie ein Stück Metall, das von einem Magnet angezogen wurde.
Er zog die Hand weg und rieb sie am Bein seiner Turnhose. Er hatte einen trockenen Mund, und sein Schlund fühlte sich an wie ausgedörrt. Er hätte am liebsten gehustet, verkniff es sich aber. Es war lächerlich, das war ihm klar – schließlich hatte er gerade eine Tür zugenagelt, war also alles andere als leise gewesen, aber das Hämmern eines Gerätes war etwas anderes als ein menschlicher Laut, zumal einer, der nach Schwäche klang, wie zum Beispiel ein Hustenreiz. Deshalb legte er die Hand über den Mund, zog sich aus dem Zimmer zurück und ließ den Werkzeugkasten dort stehen. Er lehnte die Sperrholzplatte wieder vor die Tür, nagelte sie aber nicht fest. Es war eine windstille Nacht, folglich würde sie nicht umgeweht werden. Er kehrte dem Motel nicht den Rücken zu, bis er zu seiner Hütte kam. Sobald er drinnen war, verschloss er die Tür und trank etwas Wasser, danach ein Glas Wodka und ein wenig Hustensaft, damit er besser schlafen konnte. Er wählte ein weiteres Mal die Nummer, unter der er schon vorher angerufen hatte, und hinterließ eine zweite Nachricht.
»Eine Nacht noch«, wiederholte er. »Ich will mein Geld, und ich will das Zeug loswerden. Ich kann nicht mehr. Tut mir leid.«
Dann trat er auf das Telefon ein, bis nur noch Trümmer vor ihm lagen, zog seine Schuhe und den Mantel aus und rollte sich auf dem Bett ein. Er horchte in die Stille, und die Stille horchte zurück.
Sie waren angeschmiert, dachte er, von Anfang an angeschmiert. Sie hatten es sogar fertiggebracht, seinen Namen auf der Erkennungsmarke falsch zu schreiben: Bobby Jandrau statt »Jandreau«. Verdammt wollte er sein, wenn er mit einem verhunzten Namen in den Krieg zog – das war einfach schlechtes Karma. So wie die sich aufregten, als er sie darauf hinwies, hätte man meinen können, er wollte mit einer Sänfte in den Irak getragen werden.
Andererseits werden die Armen immer von den Reichen beschissen, und das hier war ein Krieg der Reichen, der von den Armen geführt wurde. Kein Reicher wartete darauf, mit ihm zu kämpfen, und wenn einer da gewesen wäre, hätte er ihn gefragt, warum, weil das nicht nachvollziehbar war, wenn man etwas Besseres machen konnte. Nein, hier waren nur Männer wie er, und einige waren sogar noch ärmer,
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