Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)

Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)

Titel: Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
Vom Netzwerk:
könnten irgendwann in der Zukunft für einen Bauherrn wertvoll werden. Der Kai, auf dem der Sailmaker stand, war eine von mehreren Hafenanlagen, die eventuell ins neue, so genannte Maine State Pier Redevelopment aufgenommen wurden, ein 160 Millionen Dollar teures Unterfangen, mit dem man den Handelshafen wiederbeleben wollte, unter anderem durch den Bau eines neuen Hotels, hoher Bürogebäude und eines Kreuzfahrtterminals, das allerdings fallen gelassen wurde und allem Anschein nach in immer fernere Zukunft rückte. Der Hafen kämpfte ums Überleben. Im International Marine Terminal, in dem sich einst Frachtgut und Container gestapelt und darauf gewartet hatten, auf Schiffe und Kähne verladen oder per Lastwagen und Eisenbahn ins Binnenland transportiert zu werden, ging es ruhiger zu als je zuvor. Die Anzahl der Fischerboote, die ihren Fang zum Fischmarkt am Portland Fish Pier brachten, war innerhalb von fünfzehn Jahren von 350 auf 70 gesunken, und das Auskommen der Fischer war durch eine weitere Kürzung der erlaubten Fangtage bedroht. Der schnelle Katamaran-Fährdienst zwischen Portland und Nova Scotia wurde eingestellt, und mit ihm gingen die dringend benötigten Jobs und damit verbundenen Einnahmen des Hafens verloren. Einige Leute vertraten die Meinung, man solle mehr Bars und Restaurants an den Kais genehmigen, denn davon hinge das Überleben des Hafenviertels ab, doch damit lief man Gefahr, dass der Hafen kaum mehr wäre als ein Themenpark mit einer Handvoll Hummerfischer, die sich mehr schlecht als recht durchschlugen, um den Touristen ein bisschen Lokalkolorit zu bieten, Portland dann aber nur mehr der Schatten eines großen Hochseehafens bliebe, der die Stadt drei Jahrhunderte geprägt hatte.
    Und mitten in all dieser Ungewissheit hockte Jimmy Jewel, der sämtliche Möglichkeiten in Erwägung zog und den angefeuchteten Finger in den Wind hielt. Es entspräche nicht ganz der Wahrheit, wenn man sagen würde, dass Jimmy sich nicht um Portland, seine Piers oder seine Geschichte scherte. Geld war ihm einfach wichtiger.
    Aber verfallende Gebäude stellten, auch wenn sie ein bedeutender Teil seines Portefeuilles waren, nicht die Gesamtsumme von Jimmys Geschäftsinteressen dar. Er war auch am Fernlastverkehr in andere Staaten und über die kanadische Grenze beteiligt und wusste mehr über das Schmuggeln als fast jeder andere an der Nordostküste. Jimmys Hauptgeschäft war Gras, aber in den letzten Jahren hatte er ein paar schwere Schläge einstecken müssen, und jetzt gab es Gerüchte, dass er Abstand vom Drogengeschäft nehmen und sich seriöseren Unternehmungen widmen wollte beziehungsweise Unternehmungen, die seriös wirkten, was nicht das Gleiche war. Alte Gewohnheiten legt man nur schwer ab, und was die Kriminalität anging, war Jimmy ebenso sehr wegen des Geldes mit von der Partie als auch wegen der Freude, die es ihm bereitete, gegen das Gesetz zu verstoßen.
    Ich musste nicht vorher anrufen, um einen Termin mit ihm zu vereinbaren. Der Sailmaker war das Herz von Jimmys Imperium. Er hatte im hinteren Teil ein kleines Büro, das er allerdings hauptsächlich als Lagerraum nutzte. Stattdessen traf man Jimmy immer an der Bar an, wo er Zeitung las, ab und zu auf einem uralten Telefon Anrufe entgegennahm und zahllose Tassen Kaffee trank. Dort war er auch, als ich an diesem Morgen eintrat. Außer ihm war niemand da, von einem Barkeeper in einem fleckigen weißen T-Shirt einmal abgesehen, der Bierkästen aus dem Lagerraum schleppte. Der Barkeeper hieß Earle Hanley und war der gleiche Mann, der in der Nacht, als Sally Cleaver von ihrem Freund totgeschlagen wurde, an der Bar des Blue Moon gearbeitet hatte, denn der Besitzer des Sailmaker und des Blue Moon waren ein und derselbe: Jimmy Jewel.
    Earle blickte auf, als ich hereinkam. Wenn ihm mein Anblick gefiel, bemühte er sich nach Kräften darum, es sich nicht anmerken zu lassen. Er verzog das Gesicht, dass es wie ein Papierball wirkte, der fest zusammengeknüllt wurde, wobei Earles Gesicht ohnehin schon der letzten Walnuss ähnelte, die eine Woche nach Thanksgiving noch in der Schale liegt. Zudem war er einer der Typen, die ab und zu Störenfrieden, die Jimmy dumm kamen und sich seinen Unmut zuzogen, eine Abreibung verpasste. Er sah aus, als bestünde er aus einer Reihe verkrusteter Fettkugeln, deren oberste von fettigen schwarzen Haaren gesäumt war. Sogar seine Schenkel waren rund. Ich konnte fast das Fett um seinen Körper schwappen hören, als er sich

Weitere Kostenlose Bücher