Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)
Kaffee wäre gut, danke. Für alles andere ist es mir ein bisschen zu früh.«
»Dann bist du im falschen Lokal. Meinst du etwa, die Fenster sind so klein, weil ich mir die Scheiben nicht leisten kann?«
Im Sailmaker war es immer duster. Die Gäste wollten nicht daran erinnert werden, dass die Zeit verging.
Jimmy winkte Earle, der aufstand, irgendwo einen Becher hernahm, hineinschaute, um sicherzugehen, dass er nicht schmutzig war beziehungsweise gerade schmutzig genug, und eingoss. Als er den Becher auf die Bar stellte, schwappte etwas Kaffee über und bildete eine Pfütze auf dem Holz. Earle schaute mich an, als wollte er mir klarmachen, dass ich mich bloß nicht beschweren sollte.
»Für so einen großen Kerl ist er ziemlich empfindlich«, sagte ich.
»Er mag dich nicht«, sagte Jimmy. »Aber nimm’s nicht persönlich, er mag niemanden. Manchmal glaube ich, er mag nicht mal mich; doch von mir kriegt er sein Geld, und damit erkauf ich mir ein gewisses Maß an Toleranz.«
Jimmy reichte mir ein silbernes Kännchen mit Milch, nicht mit Sahne, und eine Zuckerschale. Jimmy mochte weder H-Milch noch billigen Kaffeeweißer oder Zuckertütchen. Ich nahm die Milch, nicht aber den Zucker.
»Dann ist das also ein Höflichkeitsbesuch, oder habe ich irgendwas Schlimmes angestellt, das geklärt werden muss? Ich muss dir nämlich sagen, dass ich immer, wenn du in meinem Lokal bist, das Gefühl habe, ich müsste meine Versicherung überprüfen.«
»Meinst du, der Ärger folgt mir auf dem Fuße?«
»Herrgott, der Tod höchstpersönlich schickt dir zu Weihnachten einen Obstkorb, um sich fürs Geschäft zu bedanken.«
»Ich habe eine Frage zum Speditionsgeschäft.«
»Lass dich nicht drauf ein, rate ich dir. Lange Arbeitszeiten, keine Überstunden. Du schläfst im Führerhaus, ernährst dich schlecht und stirbst an einer Raststätte. Andererseits wird niemand von sich aus versuchen, dich umzubringen, was in deinem Gewerbe anscheinend ein Berufsrisiko ist, jedenfalls so wie du es betreibst.«
Ich ging nicht auf die Berufsberatung ein. »Es gibt da einen Typ, einen Selbständigen. Er muss einen schönen Sattelzug abbezahlen, eine Hypothek, das übliche Zeug. Ich würde sagen, seine Ausgaben belaufen sich auf fast siebzig Riesen im Jahr, und dabei lebt er nicht auf großem Fuß.«
»Könnte es sein, dass er die Zahlen ein bisschen frisiert?«
»Vermutlich. Ist dir schon mal ein ehrlicher Mann begegnet?«
»Nicht, wenn’s um die Steuern geht. Wenn ja, würde ich ihn für jeden Pfennig rannehmen, den er hat, genau wie das Finanzamt, aber ich wäre nicht so nachtragend. Macht dieser Typ lange Touren?«
»Ein paar Fahrten nach Kanada, aber das ist alles, glaube ich.«
»Kanada ist groß. Wie weit fährt er denn?«
»Nach Quebec, soweit ich weiß.«
»Das ist keine lange Tour. Wie viele Stunden ist er unterwegs?«
»Nicht lange genug, jedenfalls meiner Ansicht nach.«
»Du bist also der Meinung, dass er ein bisschen was nebenbei zu laufen hat?«
»Er fährt über die Grenze. Der Gedanke ist mir gekommen. Und bei allem Respekt, aber ich glaube nicht, dass ein Eichhörnchen die Grenze überqueren kann, ohne dass du es weißt und zehn Prozent von seinen Nüssen kassierst.«
»Fünfzehn«, sagte Jimmy. »Und das ist der Freundschaftspreis. Hat der Typ einen Namen?«
»Joel Tobias.«
Jimmy schaute weg und schnalzte mit der Zunge.
»Er ist keiner von mir.«
»Weißt du, mit wem er arbeiten könnte?«
Jimmy antwortete nicht. Stattdessen sagte er: »Weshalb interessierst du dich für ihn?«
Auf dem Weg nach Portland hatte ich überlegt, wie viel ich Jimmy erzählen wollte. Letzten Endes war ich zu dem Schluss gekommen, dass ich ihm den Großteil erzählen musste, aber Damien Patchetts Tod wollte ich vorerst auslassen.
»Er hat eine Freundin«, sagte ich. »Ein besorgter Bürger meint, dass er sie möglicherweise nicht richtig behandelt und sie ohne ihn besser dran wäre.«
»Na und? Willst du etwa beweisen, dass er schmuggelt, damit sie ihn sausen lässt und stattdessen mit ’nem Pfarrer geht? Entweder du lügst, obwohl ich nicht glaube, dass du hierherkommst und dich das traust, oder dieser besorgte Bürger braucht Nachhilfe über die Gepflogenheiten auf der Welt. Die Hälfte aller Mädchen in der Stadt stürzt sich auf ’nen Typ, der ein bisschen Geld in der Tasche hat, und macht ihn fix und alle, ohne sich darum zu scheren, woher das Geld stammt. Und wenn man ihnen erzählt, dass man es illegal verdient hat,
Weitere Kostenlose Bücher