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Die Bruderschaft der Runen

Titel: Die Bruderschaft der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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ihre Suche beendeten.
    Sie waren beide müde, und ihre Augen schmerzten vom künstlichen Licht. Dennoch würde Sir Walter keine Ruhe vergönnt sein: Zwei Tage lang hatte er seine schriftstellerischen Pflichten zu Gunsten seiner privaten Ermittlungen vernachlässigt – in Anbetracht der drängenden Termine ein Luxus, den er sich eigentlich nicht leisten konnte. Quentin wusste, dass sein Onkel die ganze Nacht hindurch arbeiten würde – woher er die Kraft dazu nahm, war dem jungen Mann ein Rätsel.
    Sie verließen die Bibliothek durch den Hinterausgang. Der Nachwächter öffnete ihnen die schmale Pforte, und sie schlüpften hinaus in die Gasse, die sich zwischen dem Bibliotheksgebäude und der Rückseite der Universität erstreckte. Von den Laternen in der Chambers Street drang nur spärlicher Schein, graues Zwielicht herrschte in der Gasse. Nebel war vom Firth of Forth heraufgezogen und bedeckte den Boden. Die Schritte Sir Walters und seines Neffen klangen hohl und dumpf auf dem Pflaster.
    Plötzlich merkte Quentin, wie ihm unbehaglich wurde. Zuerst schob er es auf seine alte Furcht und auf den Nebel, der durch die Gasse kroch. Schon wollte er sich einen Narren schelten, der wohl niemals ganz erwachsen würde. Dann jedoch erkannte er, dass die leise Angst, die ihn beschlich, einen nur zu realen Hintergrund hatte.
    Die Schritte, die er hörte und die von den Mauern widerhallten, waren nicht nur seine und die seines Onkels; da waren noch mehr Geräusche. Dumpfe, halblaute Tritte, die von irgendwo hinter ihnen kamen.
    Quentin wollte sich umdrehen, um seinen Verdacht zu überprüfen. Die Rechte seines Onkels jedoch schnellte vor und packte ihn an der Schulter.
    »Nicht umdrehen«, zischte Sir Walter.
    »Aber Onkel«, flüsterte Quentin verblüfft. »Wir werden verfolgt.«
    »Ich weiß, mein Junge. Schon seit wir die Bibliothek verlassen haben. Es werden Räuber sein, lichtscheues Gesindel. Geh einfach weiter und tu so, als hättest du sie nicht bemerkt.«
    »Sollen wir nicht nach dem Constable rufen?«
    »Und dabei unser Leben riskieren? Der nächste Ordnungshüter könnte ein paar Straßen entfernt sein. Was möchtest du bis zu seinem Eintreffen tun? Es mit drei, vier Wegelagerern gleichzeitig aufnehmen? Wenn diese Menschen bedroht werden, mein Junge, sind sie wie Tiere, die bei der Jagd in die Enge getrieben wurden. Sie haben nichts mehr zu verlieren und wehren sich mit aller Kraft.«
    »Ich verstehe, Onkel.«
    Quentin zwang sich dazu, nicht über die Schulter zu blicken, obgleich alles in ihm danach drängte. Solange der Feind, der ihnen folgte, kein Gesicht hatte, verbreitete er nur noch mehr Schrecken. Weder wusste Quentin, wie viele Gegner es waren, noch welche Absicht sie hegten. Wollten sie seinen Onkel und ihn nur berauben, oder hatten sie gar vor, sie hinterrücks zu ermorden?
    Der Pulsschlag des jungen Mannes steigerte sich, bis er ihn in seinem Kopf hämmern hörte. Sehnsüchtig blickte er nach vorn zum Ende der Gasse, das plötzlich in unerreichbare Ferne gerückt zu sein schien.
    Quentin kämpfte die Panik nieder, die in ihm aufsteigen wollte. Er konnte die Schritte der Verfolger noch immer hören, allerdings hatten sie sich nicht weiter genähert. Die Distanz zwischen ihnen war gleich geblieben – aber weshalb? Quentin fand keine Erklärung dafür, aber in ihm keimte die Hoffnung, dass sie es vielleicht tatsächlich schaffen und ungeschoren davonkommen könnten.
    Da geschah etwas Unerwartetes.
    Von einem Augenblick auf den nächsten waren völlig andere Geräusche aus der Gasse zu hören, lautes Geklirr und helle Schreie – und Quentin begriff, dass nur wenige Schritte hinter ihnen ein wilder Kampf losgebrochen war.
    »Lauf!«, wies sein Onkel ihn an, und Quentin begann zu rennen, neben Sir Walter her, der sein krankes Bein plötzlich mit erstaunlichem Tempo fortzuschleppen wusste. Und gegen den Ratschlag seines Onkels blickte Quentin doch über die Schulter zurück.
    Was er sah, brannte sich unauslöschlich in sein Gedächtnis ein.
    In der Gasse war tatsächlich ein Kampf im Gang. Von beiden Seiten stürzten sich dunkle Gestalten von den Dächern der Häuser, die im Zwielicht nur undeutlich zu erkennen waren. Sie trugen weite Kutten und waren mit langen Stäben aus Holz bewaffnet, mit denen sie sich den Verfolgern in den Weg stellten. Diese – ebenfalls in dunkle Umhänge gehüllt – stürzten sich mit erbostem Gebrüll auf ihre Gegner, und ein wüstes Handgemenge entbrannte.
    Im spärlichen

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