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Die Bruderschaft der Runen

Titel: Die Bruderschaft der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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hat –, und wir sind mit unseren Ermittlungen zwischen die Fronten geraten.«
    »Natürlich steht es dir frei, das zu glauben, mein Junge«, erwiderte Sir Walter mit der alten, ihm eigenen Gelassenheit. »Ich hingegen bin der Ansicht, dass es für all diese Dinge eine vernünftige Erklärung geben muss. Und ich werde nicht ruhen, bis ich sie gefunden habe …«

14.
    F ür Mary of Egton war es, als hätte man das dunkle, finstere Loch, in das man sie gestoßen hatte, nun auch noch vergittert; als dränge kein Licht mehr in ihr karges Verlies, als hätte man ihr die Luft zum Atmen genommen.
    Nachdem sie ihre zukünftige Schwiegermutter kennen gelernt und herausgefunden hatte, welch ein bornierter, selbstgefälliger Zeitgenosse ihr Bräutigam war, war der Aufenthalt auf Burg Ruthven ihr ohnehin schon wie ein lebenslanges Exil vorgekommen. Ohne ihre Bücher jedoch war ihr Schicksal geradezu unerträglich.
    Solange sie in ihrer freien Zeit gelesen hatte, hatte zumindest ihr Geist der öden Realität entfliehen können. Die Geschichten von edlen Rittern und holden Frauen, von Heldenmut und großen Taten, die Walter Scott und andere Romanciers ersonnen hatten, hatten ihrer Vorstellungskraft Flügel verliehen, und im Spiegel der ruhmreichen, romantischen Vergangenheit war ihr die Gegenwart nicht ganz so trostlos erschienen.
    Nun jedoch gab es nichts mehr, das sie trösten konnte. Ihr Aufenthalt auf Burg Ruthven war zu einem Albtraum geworden, aus dem es kein Erwachen gab. Dass Eleonore of Ruthven einen Tag nach dem Verbrennen der Bücher auch noch darauf bestanden hatte, Kitty, ihre treue Zofe und Freundin von Kindesbeinen an, habe Ruthven zu verlassen, hatte Mary auch nicht mehr erschüttern können.
    Natürlich hatte sie Protest eingelegt, aber da sie Eleonores kaltes Herz inzwischen kannte, hatte sie sich keine Chancen erhofft, dass die Herrin von Ruthven ihren Entschluss widerrufen könnte. Noch am Abend hatte Kitty Burg Ruthven den Rücken gekehrt. Es war ein tränenreicher Abschied gewesen – der Abschied von Freundinnen, von Gleichgestellten, die zusammen einiges durchgemacht hatten und einander viel verdankten. Von Kittys einst so fröhlichem, unbeschwertem Wesen war nichts mehr zu spüren gewesen, als sie in die Kutsche gestiegen war, die sie zurück nach Egton bringen sollte.
    Lange hatte Mary auf der Burgmauer gestanden und der Kutsche nachgeblickt, bis sie in der Dämmerung verschwunden war. Und während der kalte Abendwind um die Mauern der düsteren Festung gestrichen war, war ihr bewusst geworden, wie allein, wie einsam sie war. Wenn es das gewesen war, worauf Eleonore und ihr widerwärtiger Sohn es angelegt hatten, so hatten sie ihr Ziel erreicht.
    Gesenkten Hauptes war Mary in ihre Kemenate zurückgekehrt und hatte sie seitdem kaum mehr verlassen.
    Das Frühstück ließ sie sich aufs Zimmer bringen, lediglich zu Lunch und Dinner zeigte sie sich kurz, um sich gleich darauf wieder zurückzuziehen.
    Sie vermochte ihrem Bräutigam und seiner Mutter kaum unter die Augen zu treten, denn sie sah in ihnen nichts anderes als ihre Peiniger – ichsüchtige Adelige, von Reichtum und Macht korrumpiert, denen das Schicksal anderer vollkommen gleichgültig war und denen nur das eigene Wohl am Herzen lag.
    Vor allem Eleonore wich Mary aus, denn zu ihrem eigenen Entsetzen musste sie erkennen, dass die Gefühle, die sie gegen die Burgherrin hegte, sich weder für eine Dame noch für einen Christenmenschen ziemten. Sie gestand es sich nicht gern ein, aber tief in ihrem Inneren loderte ein geheimer Hass auf die Frau, die ihr alles genommen hatte.
    Mary fühlte sich leer und ausgebrannt, abgeschnitten von der Welt, so als säße sie in einer Kutsche, während draußen die Wirklichkeit vorbeizog, sichtbar, aber unerreichbar für sie. Eingesperrt in einen goldenen Käfig, würde sie bis ans Ende ihrer Tage die Frau eines ebenso reichen wie bornierten Lairds sein, und man würde dafür auch noch Dankbarkeit von ihr verlangen. Man würde erwarten, dass sie ihm Kinder schenkte und ihm eine treue und ergebene Ehefrau wäre, die zu ihm aufblickte und ihn bewunderte. Dabei verachtete sie Malcolm aus tiefstem Herzen.
    Tränen rannen über Marys Wangen, während sie wie so oft in den letzten Tagen am Fenster ihres Schlafgemachs stand und hinaus auf die Hügel der Highlands blickte, die um diese Jahreszeit von Nebelschleiern bedeckt waren. Tiefe, düstere Wolken hingen darüber, als wären sie ein Spiegelbild ihrer

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