Die Bruderschaft der Runen
längst verloren gegangen ist. Aber sie steht nicht auf der Seite der Bruderschaft, und ihr liegt auch nichts daran, das dunkle Zeitalter erneut heraufzubeschwören. Sie weiß, dass ihre Zeit zu Ende ist, und hält Euch und Eure Brüder für jene, die die Tradition der weißen Magier fortsetzen.«
»Der weißen Magier? Wie darf ich das verstehen?«
»Kala sagt, dass es einst zwei Sorten von Runenkundigen gab: solche, die sich mit den hellen, den lichten Runen befassten und sie zum Wohl der Menschen einsetzten, aber auch die anderen, die die Kraft der Runen missbrauchten, um zu Macht und Ansehen zu gelangen und die bestehende Ordnung zu stürzen. Wie der geheimnisvolle Druide und seine Bruderschaft, die meinen Bruder in ihren Bann geschlagen haben.«
»Habt Ihr versucht, mit Eurem Bruder darüber zu sprechen?«
»Nein. In den letzten Wochen und Monaten musste ich feststellen, dass er sich immer mehr von mir entfernt hat. Ich fürchte, er könnte mich an seine Mitverschwörer verraten, und damit wäre nichts erreicht.«
»Eine Verschwörung also«, fasste Dougal atemlos zusammen. Gwynneth konnte sehen, dass er unter seiner groben grauen Wollkutte vor Aufregung zitterte. »Eine Verschwörung mit dem Ziel, William Wallace zu entmachten und dem Feind auszuliefern.«
»Und dabei werden die Runenbrüder es nicht bewenden lassen. Als Nächstes soll das fluchbeladene Schwert in den Besitz des jungen Earl of Bruce übergehen, der auf der Adelsversammlung zum Anführer ernannt werden soll. Man will ihm so den Sieg über seine Feinde ermöglichen und ihn zum König krönen, aber Robert wird immer unter dem Einfluss der Runenbrüder stehen. Er wird das tun, was sie von ihm verlangen, und ich habe sie sagen hören, dass sie das Kreuz vom Angesicht dieser Erde tilgen wollen.«
Pater Dougal war kreidebleich geworden. Mit den eingefallenen Zügen und dem kahl geschorenen Haupt, dem dünnen blonden Bart und den dunklen Rändern um die Augen sah er ohnehin nicht sehr gesund aus. Nun aber wirkte er um Jahre gealtert. Kopfschüttelnd und mit gesenktem Haupt stand er vor Gwynneth Ruthven und versuchte die Bedeutung ihrer Worte zu erfassen.
»Glaubt Ihr mir jetzt?«, fragte die junge Frau fast ängstlich. Pater Dougal war der Einzige, an den sie sich in ihrer Not wenden konnte. Wenn er ihr nicht vertraute oder sie gar an ihren Bruder verriet, war alles verloren.
»Ich glaube Euch«, versicherte er zu ihrer Erleichterung. »Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob Ihr den rechten Mann ins Vertrauen gezogen habt, Lady Gwynneth. Ich bin nur ein einfacher Mönch. Wie könnte ich Euch also helfen?«
»Indem Ihr William Wallace eine Warnung zuteil werden lasst. Wie ich hörte, hält er sich gegenwärtig bei Mönchen verborgen, um sich von seinen Verletzungen zu erholen. Es sollte Euch also möglich sein, ihm über Eure Glaubensbrüder eine Nachricht zukommen zu lassen.«
»Das ist freilich wahr.«
»Dann kann ich auf Euch zählen, Pater?«
Dougal blickte ihr tief in die Augen, und für einen kurzen Moment kam es Gwynn so vor, als schaute er sie nicht mit den Augen eines Mönchs an, sondern mit denen eines jungen Mannes. Schließlich nickte er, und auf seinen blassen, ausgemergelten Zügen erschien ein schüchternes Lächeln.
»Ich werde Euch helfen, Lady Gwynneth«, versprach er. »In der Zeit, die ich hier auf Burg Ruthven verbracht habe, seid Ihr stets eine treue Tochter der Kirche gewesen, sodass ich auf das Geschwätz, das allenthalben zu hören ist, nichts geben will. Ich werde mich augenblicklich auf den Weg zu meinen Mitbrüdern machen. Sir William muss erfahren, welche Gefahr ihm droht.«
»Ich danke Euch, Pater Dougal«, versicherte Gwynn flüsternd. »Und bitte seht Euch vor.«
Damit verließ sie den Beichtstuhl und die Hauskapelle von Burg Ruthven und kehrte mit eiligen Schritten in ihre Kemenate zurück. Immer wieder blickte sie sich um, wollte sichergehen, dass ihr keiner folgte. Doch obwohl sie niemanden sehen konnte, gab es einen Zeugen ihres Gesprächs mit Pater Dougal.
Seit Duncan Ruthven unter dem Einfluss der Bruderschaft stand, war Ruthven Castle ein Ort des Misstrauens geworden, der Lügen und Intrigen. Spione, die dem Druiden und seiner Sekte hörig waren, lauerten in den Schatten und Nischen und verliehen den Wänden Augen und Ohren – und einer dieser Spione hatte Gwynneth Ruthvens Gespräch mit Pater Dougal belauscht.
Es dauerte nicht lange, bis Gwynneth in ihrer Kammer Besuch erhielt. Als sie die Tür
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