Die Bruderschaft der Runen
geschehen?«, fragte sie flüsternd. Entsetzt starrte sie ihren Bruder dabei an.
»Nichts weiter.« Duncan zuckte mit den Schultern. »Ich habe lediglich beschlossen, dass wir des geistlichen Beistands von Pater Dougal nicht länger bedürfen.«
»Du … du hast ihn umgebracht«, sprach Gwynneth das Unvorstellbare aus. »Einen Mann der Kirche.«
»Ich habe nichts dergleichen getan«, erwiderte Duncan hämisch. »Aber wie ich hörte, hat sich der Pfeil eines Bogenschützen verirrt und den armen Pater in den Rücken getroffen, gerade als er die Burg verlassen wollte. Kannst du dir denken, wohin er wollte?«
»Nein«, sagte Gwynneth tonlos und ließ sich auf einen Hocker sinken. Ihre Knie fühlten sich plötzlich weich an, und ihr wurde übel. Düstere Ahnungen beschlichen sie.
»Dann will ich Eurem Gedächtnis ein wenig auf die Sprünge helfen, meine Liebe«, warf Millencourt ein.
Herrisch baute er sich vor ihr auf, blickte mit in die Hüften gestemmten Armen auf sie herab, wie ein Grundherr, der über eine Leibeigene zu richten hat. »Ihr wurdet belauscht, Gwynneth Ruthven, wie Ihr Pater Dougal Geheimnisse anvertraut habt, die besser verborgen geblieben wären. Dinge, die Ihr nie hättet erfahren und die Ihr nie hättet sehen dürfen. Dinge, die nicht für Eure Augen und Eure Ohren bestimmt gewesen sind. Eure weibliche Neugier hat Euch wohl dazu verleitet, aber Ihr hättet ihr besser nicht nachgegeben, denn nun werdet Ihr schwer dafür zu büßen haben. Genau wie Dougal.«
»Ihr seid es gewesen, nicht wahr?«, fragte Gwynn. »Ihr steckt hinter allem. Ihr habt den Verstand meines Bruders vergiftet und ihn zu einem Schatten seiner selbst gemacht, zu einem Leibeigenen, der Euch willenlos gehorcht.«
»Mäßige deine Zunge, Schwester!«, schrie Duncan. »Graf Millencourt ist mein Freund und Mentor. Unter seiner Führung wird Schottland wieder werden, wie es einst gewesen ist: stark und mächtig. Und er will, dass Ruthven das mächtigste aller Häuser in Schottland wird, so wie es das Begehr unseres Vaters war.«
»Bist du blind?«, fragte Gwynn kopfschüttelnd. »Hat er dich auch mit einem Fluch belegt, sodass du sein wahres Gesicht nicht erkennen kannst? Es geht ihm nicht um dich, Duncan, und es geht ihm auch nicht um Ruthven. Es geht ihm nur um seine eigenen Ziele, und um sie zu erreichen, ist ihm jedes Mittel recht.«
»Hör nicht auf sie, mein Bruder«, raunte der Graf Duncan zu. »Sie ist verwirrt und weiß nicht, wovon sie redet.«
»Ich weiß sehr gut, wovon ich rede«, widersprach Gwynn. Ihre sonst so sanften Züge erröteten, Empörung trat anstelle ihrer Furcht. »Ich weiß, dass dieser da« – sie deutete auf den Grafen – »nicht das ist, wofür er sich ausgibt. Er ist nicht von Adel, und er stammt auch nicht aus Frankreich. Möglicherweise ist er nicht einmal ein Mensch.«
»Aber, meine Liebe«, fragte Millencourt mit breitem Grinsen. »Was sollte ich denn sonst sein?«
»Ich weiß es nicht. Aber man hat mir gesagt, dass Ihr älter seid als jeder Mensch und schon seit Jahrhunderten auf dieser Erde wandelt. Vielleicht seid Ihr ein Gesandter des Bösen. Ein Dämon. Ein Bote der Finsternis.«
Einen Augenblick lang sagte Millencourt nichts. Dann warf er den Kopf in den Nacken und brach in schallendes Gelächter aus, das von der niederen Decke der Kammer widerhallte. Duncan, den die Worte seiner Schwester für einen kaum merklichen Moment erschreckt hatten, fiel in das Gelächter des Grafen ein, und Gwynneth wusste, dass sie keine Chance hatte, den Bann zu lösen, unter dem er stand.
»Was weißt du schon, Schwester?«, spottete Duncan lachend. »Du bist nur ein dummes Weib und ahnst nichts von den Möglichkeiten, die sich uns bieten. Wir stehen am Beginn eines neuen, großen Zeitalters, in dem wir wieder stark sein und herrschen werden.«
»Du solltest dich reden hören«, versetzte Gwynn. »Vater hätte so etwas nie gebilligt. Er stand immer treu zu seinem Land und zu seinem Glauben. Du jedoch hast alles verraten.«
»Vater war ein Narr«, zischte Duncan hasserfüllt. »Ich habe ihm gesagt, dass Braveheart ein Verräter ist, der uns alle ins Verderben führen wird, aber er wollte nicht auf mich hören. Er hat seine eigenen Entscheidungen getroffen, so wie ich nun die meinen treffe. Ich habe ihn nicht darum gebeten, in die Schlacht zu ziehen und mir Ruthven zu vermachen. Er hat mir diese Last ungefragt aufgebürdet, hat mich allein gelassen ohne Rat und Plan.«
»Du bist verletzt«, stellte
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