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Die Bruderschaft der Runen

Titel: Die Bruderschaft der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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die Antwort«, meldete Quentin sich gepresst zu Wort und leuchtete mit seiner Fackel den Stollen hinab – worauf aus der Ferne ein schrilles Pfeifen erklang. Wo der Lichtschein der Fackel den Stollen erfasste, schien sich der Boden plötzlich zu bewegen, und dutzende leiser, trippelnder Schritte waren zu hören.
    »Ratten«, stöhnte Sir Walter und verzog missbilligend das Gesicht. Es gab nicht viele Dinge, vor denen der Herr von Abbotsford sich ekelte – aber die grauen Nager gehörten mit einiger Sicherheit dazu.
    Quentin, der die Schwäche seines Onkels kannte, schrie laut und schwenkte seine Fackel, um die Biester zu verjagen. Quiekend zogen sich die Ratten in den Stollen zurück, um erneut aufgeschreckt zu werden, wenn die Männer weiter ins Dunkel vordrangen. Immer wieder waren im Halbdunkel rötlich glühende Augen zu sehen, die sie feindselig anblitzten.
    Der Gang wurde noch steiler, und in unregelmäßigen Abständen waren Stufen in den Boden gehauen worden. Nach Sir Walters Schätzung mussten sie sich jetzt bald unter der Königsburg befinden – und jeder der drei Männer fragte sich, was sie am Ende des Stollens vorfinden würden …
    Auf donnernden Hufen ritten sie durch die Nacht – eine Abteilung von Dragonern, die ihren Pferden erbarmungslos die Sporen gaben.
    Sie konnten die Hauptstraße benutzen, denn sie brauchten sich nicht zu verstecken. Ihre Uniformen waren die perfekte Tarnung – wer wäre schon darauf gekommen, hinter einer Abteilung britischer Dragoner die Angehörigen einer verbotenen Bruderschaft zu vermuten?
    Charles Dellard war voller Verachtung für all jene, die er hinters Licht geführt hatte. Von seinen Vorgesetzten bis hin zu den Hohlköpfen in der Regierung hatten sie ihn alle für einen loyalen Untertanen Seiner Majestät gehalten. Dabei brannte er darauf, seine Maske endlich fallen zu lassen und seine wahren Absichten zu offenbaren. Er hatte es satt, Speichel zu lecken und sich den Anweisungen bornierter Adeliger zu fügen, die Titel und Amt nur ererbt hatten. Er wollte selbst zu jenen gehören, die die Macht in Händen hielten – und dank Malcolm of Ruthven und der Bruderschaft der Runen würde er schon bald zu jenem erlauchten Kreis gehören.
    Unnachgiebig trieb er sein Pferd an. Jenseits der Hügel konnte er schon bald die ersten Ausläufer der Stadt ausmachen. Der matte Schein der Straßenlaternen lag über den Häusern und erhellte die Nacht, sodass man den Burghügel und die mächtige Festung darauf von weitem sehen konnte.
    Edinburgh.
    Sie waren am Ziel.
    Das Fell der Pferde glänzte schweißnass vom scharfen Ritt. Die Tiere schnaubten und hatten alles gegeben, aber noch immer trieben ihre Reiter sie an.
    Malcolm of Ruthven war davon überzeugt, dass der Traum der Engländerin mehr gewesen war als nur ein flüchtiges Trugbild oder eine Lüge, mit der sie ihren Hals zu retten versuchte. Dellard wusste nicht, was er davon halten sollte. Aber ihm war klar, dass die Mondfinsternis kurz bevorstand und sie alle Möglichkeiten nutzen mussten, um das Runenschwert zu beschaffen, die verfluchte Klinge, von der alles abhing.
    Fast war es so weit.
    Nicht mehr lange, und das düstere Schicksal, an das sie alle glaubten, würde sich erfüllen. Dann würde ein neues Zeitalter anbrechen. Sobald der verräterische König aus dem Weg geräumt war – mithilfe der Klinge, die schon anderen Verrätern vor ihm den Tod gebracht hatte …
    Das Verderben kam so schnell über ihn, dass Quentin keine Zeit blieb, darauf zu reagieren.
    Der Gang hatte die Steigung hinter sich gebracht und verlief wieder geradeaus. Wäre Quentin nicht so fixiert darauf gewesen, das Ende des Stollens zu erreichen, wäre ihm vielleicht aufgefallen, dass der Boden an dieser Stelle anders beschaffen war als im restlichen Gang. So allerdings rannte er blindlings in die Falle, die vor langer Zeit von heimtückischer Hand ausgelegt worden war.
    Ein unbedachter Tritt, ein hässliches Knacken – und die nur fingerdicke Steinplatte, die den Boden gebildet hatte, gab nach. Sie sprang in Scherben, darunter tat sich schwarze Tiefe auf.
    Ein erstickter Schrei entrang sich Quentins Kehle, als er merkte, dass er den Boden unter den Füßen verlor. Die Fackel fiel zu Boden. Panisch ruderte er mit den Armen, aber sie griffen nichts als leere Luft. Im nächsten Moment hatte er das Gefühl, als wollte der Abgrund ihn verschlingen. Einen Lidschlag lang schwebte er zwischen Leben und Tod – bis ihn zwei beherzte Hände

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