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Die Bruderschaft der Runen

Titel: Die Bruderschaft der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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»Verzeihen Sie, wenn ich widerspreche, aber in Ednam gibt es keine Menschen, die so sind.«
    »Möglicherweise stammen sie nicht aus Ednam«, räumte Dellard ein. »Aber wer Gesetzlosen Unterschlupf gewährt oder sie vor dem Auge des Gesetzes verbergen hilft, der macht sich ebenso mitschuldig an ihren Verbrechen, als hätte er sie selbst begangen.«
    »Aber es gibt keine Gesetzlosen hier, so glauben Sie mir doch.« In die Stimme des alten Donovan mischte sich Verzweiflung.
    »Schön«, sagte Dellard gelassen. »Dann beweise es mir.«
    »Es Ihnen beweisen?« Die Augen des Bürgermeisters wurden groß und größer. »Wie könnte ich Ihnen das beweisen, Sir? Sie werden meinem Wort Glauben schenken müssen. Meinem Wort als Ältestem des Dorfes und als Veteran der Schlacht von …«
    Charles Dellard lachte nur. »So ist es mit den Schotten, nicht wahr?«, spottete er. »Sobald sie nicht mehr weiter wissen, flüchten sie sich in ihre glorreiche Vergangenheit, weil sie alles ist, was ihnen geblieben ist. Aber das wird euch nichts nützen. Hauptmann?«
    Ein Dragoner, der die goldenen Epauletten des Offiziersranges trug, nahm im Sattel Haltung an. »Ja, Sir?«
    »Diese Leute bekommen eine halbe Stunde Zeit, um uns die Aufständischen auszuliefern. Tun sie es nicht, brennt ihre Häuser nieder.«
    »Jawohl, Sir«, bellte der Offizier, und seine starre Miene ließ keinen Zweifel daran, dass er den Befehl seines Vorgesetzten ohne Zögern auszuführen gedachte.
    »A-aber Sir«, stammelte Angus Donovan, während unter den Dorfbewohnern leise Panik um sich griff.
    Härte und Willkür, dachte Dellard zufrieden.
    »Was willst du?«, fragte er. »Ich lasse euch eine gerechte Chance, oder nicht? Ebenso gut könnte ich meinen Leuten befehlen, Geiseln nehmen zu lassen oder einige von euch zu erschießen.«
    »Nein!«, rief der Alte verängstigt und hob beschwörend die Hände. »Alles, nur das nicht!«
    »Tut, was ich sage, und euch wird nichts geschehen. Bringt uns die Aufrührer, und wir lassen euch ungeschoren davonkommen. Versteckt sie weiter, und euer Dorf wird brennen.«
    »Aber unsere Häuser … Sie sind alles, was wir haben!«
    »Dann solltet ihr schleunigst tun, was ich von euch verlange«, sagte Dellard hart. »Andernfalls werdet ihr bald überhaupt nichts mehr haben. Hauptmann?«
    »Ja, Sir?«
    »Eine halbe Stunde. Keine Minute länger.«
    »Verstanden, Sir.«
    Dellard nickte. Dann nahm er die Zügel, riss sein Pferd herum und ritt über den Dorfplatz davon. Der dunkle Mantel bauschte sich hinter ihm, und er war sich bewusst, dass nicht wenige der Dorfbewohner in ihm den leibhaftigen Teufel sehen mussten.
    Härte und Willkür.
    Charles Dellard war zufrieden. Die Dinge entwickelten sich so, wie er sie geplant hatte.
    Wenn Scott und Slocombe von der Sache erfuhren, würden sie annehmen, dass er die Bevölkerung damit provozieren wollte, um die Nationalisten zum Handeln herauszufordern. Wahrscheinlich würden sie Protest einlegen, und vielleicht würde Scott einen weiteren seiner berüchtigten Briefe nach London schreiben.
    Dellard war es gleichgültig. Wie weit seine Pläne tatsächlich reichten, ahnte keiner dieser Einfaltspinsel. Und einst, in vielen Jahren, würde niemand mehr glauben wollen, dass alles in einem unbedeutenden Nest jenseits der Grenze begonnen hatte.
    Einem Nest mit dem Namen Ednam.

9.
    S echs Tage später erreichte Mary of Egton Burg Ruthven – jenen Ort, der ihre zukünftige Heimat werden sollte.
    Die Reise war lang und beschwerlich gewesen, dennoch war Mary nicht in die alte Trübsal verfallen, die sie auf ihrem Weg von Egton bis nach Galashiels begleitet hatte. So schrecklich der Unfall an der Brücke auch gewesen war und so sehr sie den Tod des armen Winston bedauerte – beides hatte ihr vor Augen geführt, dass das Leben ein Geschenk war, für das sie dankbar sein musste.
    Natürlich hatte auch der Aufenthalt in Abbotsford dazu beigetragen, dass Mary sich besser fühlte; zum ersten Mal seit langer Zeit – vielleicht zum ersten Mal überhaupt – war sie Menschen begegnet, bei denen sie sich verstanden und heimisch fühlte. Die Scotts hatten sie nicht nur in ihr Haus aufgenommen und sie an ihrem Tisch speisen lassen, sie hatten ihr und Kitty das Gefühl gegeben, willkommen zu sein. Und dieses Gefühl hatte etwas in Mary verändert; es hatte bewirkt, dass sie dieses raue Land jenseits der Grenze nicht mehr mit so viel Furcht und Misstrauen betrachtete wie noch zu Beginn ihrer Reise. Es mochte

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