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Die Bruderschaft der Runen

Titel: Die Bruderschaft der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Gleichmut. Der Inspector, der wie seine Männer hoch zu Ross saß und auf die ärmlich gekleideten Dorfbewohner herunterblickte, war daran gewöhnt, gehasst zu werden. Sein Amt brachte es mit sich, dass er Entscheidungen fällen und hart durchgreifen musste, und seine lange Erfahrung auf diesem Gebiet hatte ihn einen zielsicheren Instinkt dafür entwickeln lassen, wie man die Massen wirkungsvoll einschüchterte und unter seinen Willen zwang.
    Die Macht hatte zwei Pfeiler: Härte und Willkür.
    Härte, damit niemand daran zweifelte, dass er entschlossen und in der Lage war, seine Macht anzuwenden.
    Willkür, damit niemand sich sicher fühlen konnte und Furcht die Menschen gefügig machte.
    Die Dragoner erledigten ihre Arbeit zuverlässig, was Dellard beinahe amüsierte. Nicht wenige der Reiter waren gebürtige Schotten, die gegen ihre eigenen Landsleute vorgingen. Viele von ihnen waren an den Clearances in Sutherland beteiligt gewesen. Granville hatte sie empfohlen, und Dellard hatte sofort zugegriffen, als es darum gegangen war, eine schlagkräftige Abteilung für diese Mission zusammenzustellen.
    Schließlich ging es dabei um mehr als jemals zuvor. Dellard war Realist, der pathetische Worte verabscheute. Aber dieses Mal ging es um alles …
    Einer der Dragoner feuerte seine Muskete ab. Der ohrenbetäubende Knall, der über den Dorfplatz tönte, ließ die schreiende Menge jäh verstummen. Schweigen trat ein. Irgendwo schnaubte ein Pferd und scharrte mit den Hufen. Ansonsten herrschte Stille.
    Bang sahen die Dorfbewohner zu den Dragonern auf, die sie von allen Seiten umzingelt hatten. Dellard gewahrte den Zorn und die Furcht in den Augen der Menschen, und er genoss das Gefühl, gesiegt zu haben und die Macht zu besitzen.
    Er lenkte sein Pferd durch die Reihen seiner Männer. In seiner Uniform mit dem dunklen Rock, den weißen Hosen und mit dem weiten Reitmantel, den er um die Schultern trug, wirkte er düster und Furcht einflößend, sodass die Dorfbewohner vor ihm zurückwichen.
    Dellard kannte die Mechanismen der Angst, und er wusste, was er zu tun hatte, dass sie ihm in die Hände arbeitete. Er wartete noch einige Augenblicke und ließ die Dorfbewohner im Unklaren darüber, was mit ihnen geschehen würde. Dann erhob er seine schneidende Stimme, sodass sie laut über den Dorfplatz schallte.
    »Männer und Frauen von Ednam«, rief er, »ich bin Inspector Charles Dellard von der Regierung Seiner Majestät des Königs. Möglicherweise habt ihr schon von mir gehört. Ich wurde geschickt, um die Vorfälle zu untersuchen, die zum Brand der Bibliothek von Kelso geführt haben, und ich bin ebenso bekannt wie berüchtigt dafür, dass ich meine Aufträge stets zur vollsten Zufriedenheit Seiner Majestät ausführe. Natürlich weiß ich bereits, wer hinter dem gemeinen Anschlag steckt, und ich bin dabei, diese Kriminellen zu verfolgen und zur Rechenschaft zu ziehen. Dies ist der Grund, warum ich hier bin. Ich habe Hinweise erhalten, nach denen sich einige der Aufständischen, die in Galashiels für Unruhe sorgen, in diesem Dorf versteckt halten sollen!«
    Unruhe setzte auf dem Dorfplatz ein. Die Männer und Frauen tauschten betroffene Blicke, und Dellard konnte das wachsende Entsetzen in ihren Augen sehen. Natürlich hatten sie keine Ahnung, wovon er sprach, und sie fragten sich unruhig, was er mit ihnen vorhabe und was als Nächstes geschehen werde.
    Ein Mann trat vor, dessen Alter Dellard auf knapp sechzig schätzte. Die Kleidung, die er trug, war schäbig und zerlumpt, und der Hut, den er in seinen knochigen Händen knetete, war löchrig und hatte drei Spitzen nach der alten Mode.
    »Was willst du?«, fragte der Inspector kalt.
    »Sir, mein Name ist Angus Donovan. Ich bin der, den die Bewohner von Ednam zu ihrem Sprecher gewählt haben.«
    »Du bist der Bürgermeister?«
    »Wenn Sie es so nennen wollen, Sir.«
    »Und was willst du von mir?«
    »Ihnen im Namen der Einwohner von Ednam versichern, dass Sie sich irren müssen. In unserem Dorf halten sich keine Aufständischen auf. Jeder Mann und jede Frau in Ednam achten das Gesetz.«
    »Und du erwartest, dass ich das glaube?« Dellards Mundwinkel fielen geringschätzig nach unten. »Ihr Bauern seid doch alle gleich. Ihr buckelt und senkt eure Häupter, doch sobald wir uns abwenden, zeigt ihr euer wahres Gesicht. Ihr brandschatzt und plündert, seid verschlagen und habgierig und mordet eure eigenen Landsleute.«
    »Nein, Sir.« Der Bürgermeister verneigte sich tief.

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