Die Bruderschaft der Woelfe
Zauberer Binnesman, die Hohe Königin Herin die Rote, ihre Tochter, Sir Langley und zwei Dutzend andere.
Er spürte, daß den Boten, die er nach Carris entsandt hatte, ein schreckliches Schicksal drohte. Die Erde warnte ihn nicht nur vor Gefahr für sich selbst, sondern für jeden, der sich auf dem Weg nach Carris befand.
Die Kraftpferde waren über die grünen Felder Beldinooks gedonnert. Sie hatten eine weite Entfernung in kürzester Zeit hinter sich gebracht – mehr als dreihundert Meilen in sechs Stunden. Doch nicht alle konnten Gaborn in diesem Tempo folgen. Er war mit Hunderten seiner Ritter nach Beldinook eingeritten, viele von ihnen hatten jedoch aufgeben müssen.
Seine Truppen verteilten sich hinter ihm über vierhundert Meilen. Und die Pferde der wenigen, die in seiner Nähe geblieben waren, hatten sich längst verausgabt.
Das Leichentuch, das er über so vielen seiner Untertanen liegen sah, erdrückte ihn fast. Vor einer Woche war Gaborn über das Schlachtfeld bei Longmot geritten und hatte die Leichen Hunderttausender guter Männer gesehen, die Raj Ahten getötet hatte. Er hatte die verkohlten Leiber gerochen, das Blut und die Galle. Er hatte seinen eigenen Vater tot aufgefunden, kalt wie der Schnee, den er krampfhaft mit seinen leeren Händen umklammerte.
Aber er hatte nicht gespürt, daß der Tod weiteren seiner Männer unmittelbar drohte. Das Ende jener Soldaten hatte er nicht so intensiv empfunden wie das Verhängnis, welches jetzt seinen Begleitern auflauerte.
Wie kann ich sie alle retten? fragte er sich aufs neue.
Auch Borenson drohte nun Gefahr, und Gaborn übermittelte ihm eine Warnung: »Flieht!«
Fünfzehn Meilen nördlich von Carris hetzte Zauberer
Binnesman sein Pferd neben ihn und bat eindringlich: »Eine kurze Ruhepause, mein Herr. Es nützt nichts, Carris auf Pferden zu erreichen, die für den Kampf nicht mehr zu gebrauchen sind.«
Gaborn konnte den Mann im Donnern der Hufe kaum
verstehen.
»Mein Lord!« brüllte Langley und schloß sich Binnesmans Ersuchen an. »Fünf Minuten, ich bitte Euch!«
Vor ihnen lockte rechts neben der Straße ein Teich. Fische schwammen an der Oberfläche und schnappten nach Mücken.
Hier kam oft Vieh zur Tränke und hatte die Uferböschung zertrampelt.
Gaborn zügelte das Pferd und ließ es trinken.
Ein Paar Wildenten flog quakend aus einem Schilfgebüsch auf. Im Nu war Gaborn von Mücken umgeben. Er verscheuchte sie von seinem Gesicht.
Keine zwanzig Schritte entfernt, auf der anderen Seite von Binnesman, ließ Sir Langley sein Pferd trinken. Er grinste Gaborn an. »Bei den Mächten«, sagte er, »hätte ich gewußt, daß mich hier die Mücken so sehr plagen, hätte ich Rüstung angelegt.«
Gaborn war nach Scherzen nicht zumute. Er sah sich um, als versprengte Ritter anhielten, und zählte seine Männer rasch durch.
Er hatte nicht gerade eine Armee hinter sich – nur einige Ritter, die töricht genug gewesen waren, ihm in den bevorstehenden Tod zu folgen.
Burg Carris und ihre Bewohner, das wußte er, würden keine weitere Stunde mehr überstehen.
Er würde mit zuwenig Truppen eintreffen und viel zu spät.
Ihm fehlten die Soldaten, die er sich von König Lowicker erhofft hatte. Die Männer, die ihn begleiteten, waren kaum von Nutzen. Er hatte zudem darauf spekuliert, auf eine seiner eigenen Armeen zu treffen oder vielleicht auf die Unabhängigen Ritter, wie Marschall Skalbairn es ihm
versprochen hatte.
Spielt keine Rolle, redete er sich ein. Zwar weiß ich nicht, was Raj Ahten vorhat, aber dennoch werde ich zu ihm gehen und ihn auffordern, sich mir zu ergeben. Tut er dies nicht, werde ich ihn töten.
Binnesmans Tier stand da und sog das Wasser in tiefen Zügen in sich hinein. Gaborn kramte den Futtersack hervor und gab seinem Pferd eine letzte, doppelte Handvoll Miln zu fressen. Das Streitroß wieherte dankbar. Rasch verschlang es den süßen Hafer, die Malzflocken und die Melasse. Seine Augen wirkten trüb und müde.
Anschließend wischte Gaborn seine klebrigen Hände an
seiner Jacke ab. Binnesman mußte seine besorgte Miene bemerkt haben, denn er erkundigte sich leise: »Was bedrückt Euch, mein Lord?«
Der Abend senkte sich über das Land, und die letzten
Sonnenstrahlen fielen durch einen Spalt in den zerklüfteten Wolken. Der Wind wehte Gaborn ins Gesicht.
Er flüsterte fast, wollte nicht von den Lords gehört werden, die nach und nach am Wasserloch eintrafen. »Wir reiten auf eine große Gefahr zu. Ich frage mich: Wie kann ich
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