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Die Bruderschaft des Feuers

Die Bruderschaft des Feuers

Titel: Die Bruderschaft des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfredo Colitto
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absteigender Reihenfolge die Bewegung ausgeht, beginnend bei der höchsten und schnellsten der Fixsterne bis hinab zu der langsamsten des Mondes.
    Allerdings hatte er sich mit diesen Vorstellungen des Universums, einer zum Großteil unsichtbaren Welt, die nur mit dem Verstand erforscht werden konnte und sich einer Überprüfung durch experimentelle Wissenschaft entzog, immer schwergetan.
    »Was hat denn die Resonanz damit zu tun?«, fragte er widerstrebend.
    Marcello schien zu verstehen, was ihm durch den Kopf ging. »Vielleicht kann ein praktisches Beispiel es besser erklären«, sagte er und stand auf. Er sah auf zu dem Licht, das durch die bunten Fenster fiel, und intonierte mit kräftiger Stimme: » Magnificat anima mea Dominum, et exsultavit spiritus meus in Deo salutari meo. « Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.
    Das waren die ersten Verse des  Magnificat , welches während der Vespermesse gesungen wurde. Mondino hatte sie von Kindesbeinen an bestimmt schon Dutzende Male gehört, aber er hatte noch nie so nahe bei einem Sänger gestanden und schon gar nicht mitten im Chor einer Basilika gesessen. Die Schwingungen des Gesangs, die vom Echo in der menschenleeren Kirche verstärkt wurden, trieben ihm vor Rührung die Tränen in die Augen. Sogar der beleibte Mönch schien ihm durch die Schönheit des Gesangs wie verwandelt.
    Pater Marcello drehte sich um und nickte befriedigt. »Versteht Ihr jetzt?« Mondino nickte ebenfalls, obwohl er nicht hätte in Worte fassen können, was genau er eigentlich verstanden hatte. Der Priester setzte sich wieder neben ihn und fuhr mit seinen Erläuterungen fort.
    »Selbstverständlich reden wir in diesem Fall von der  musica humana , der menschlichen Musik gemäß der Definition von Boëthius. Von Musik also, die den menschlichen Verstand bewegt und so mit ihm in Resonanz tritt und Gefühle freisetzt. Hingegen wissen wir fast nichts über das, was Boëthius als  musica mundana  bezeichnete, also die Sphärenharmonie und somit die Musik, die die Welt bewegt. Wir können jedoch annehmen, dass sie nach denselben Gesetzen funktioniert.«
    »Fahrt fort«, sagte Mondino, ohne sein Unverständnis zu erkennen zu geben.
    »Ihr seid mit der aristotelischen Physik vertraut, nehme ich an.«
    »Selbstverständlich.«
    »Obwohl Aristoteles ein Heide war, hatte er erahnt, dass es einen einzigen Gott gibt, wie Thomas von Aquin später bewiesen hat.«
    »Das erste unbewegt Bewegende, das die Sphären in Bewegung setzt«, sagte Mondino. »Vater, bitte verzeiht mir, doch ich bin nicht wegen einer Physikstunde gekommen.«
    Marcello da Verona erhob verärgert die Augen zum Himmel. »Ich wollte lediglich in das Thema einführen, ehe ich zu meiner Theorie komme«, erklärte er. »Habt ein wenig Geduld.«
    »Das ist eine Gabe, die mir leider fehlt. Fahrt bitte fort und verzeiht die Unterbrechung.«
    »Wie Ihr wisst, haben Pythagoras und später die Pythagoreer die Vorstellung eingeführt, dass die Bewegung der Sphären einen Klang erzeugt. Einen Klang, den wir nicht hören können.«
    »Richtig. Und es gibt drei Thesen, um das zu erklären. Nach der ersten begleitet uns der Klang von Geburt an, sodass wir ihn nicht mehr hören, ganz wie die Menschen, die neben einem Wasserfall leben, nach einer Weile dessen Rauschen nicht mehr wahrnehmen. Die zweite besagt, dass unsere Ohren zu eng sind, um den himmlischen Klang aufzunehmen, und die dritte meint, dass die Sphären zu weit entfernt sind, als dass wir den Klang hören könnten, den sie erzeugen.«
    »Sehr gut. Aber Ihr stimmt doch mit mir überein, dass es diesen Klang gibt.«
    »Sicher. Auch Cicero spricht in seinem  Somnium Scipionis  davon.«
    Der Inquisitor betrachtete ihn mit wachsendem Respekt, was Mondino aufbrachte. Warum glaubten Mönche nur immer, sie seien die einzigen Bewahrer des Wissens?
    »Jetzt kommen wir zum Wesentlichen. Wie Ihr wisst, bilden laut Aristoteles auch die Elemente Sphären, die nach ihrem spezifischen Gewicht in der sublunaren Sphäre angeordnet sind. Die Erde, die das schwerste Element ist, liegt zuunterst. Darüber liegt das Wasser, über dem Wasser die Luft und das Feuer wiederum über der Luft, darüber nur noch der Äther oder die fünfte Essenz. Jenseits der Sphäre des Äthers beginnen die himmlischen Sphären. Könnt Ihr mir bis hierhin folgen?«
    »Ja. Fahrt fort.«
    »Wie die Himmelssphären erzeugen auch die Elemente eine Musik. Jetzt stellt Euch vor, was

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