Die Bruderschaft des Feuers
versuchte Samuele sich in aller Eile einen Plan zurechtzulegen: Es war unklug, den Capitano del Popolo direkt nach Erklärungen zu fragen. Am besten folgte er ihm und nutzte die erstbeste Gelegenheit, um Gerardo da Castelbretone unter vier Augen zu sprechen und ihm von dem Brief zu erzählen. Danach würde Gerardo es bestimmt übernehmen, Visdomini die richtigen Fragen zu stellen.
Er sah, wie sie Richtung Porta Sant’Isaia abbogen, und stieß einen erleichterten Seufzer aus. Vielleicht, weil er befürchtet hatte, dass sie ins Pratelloviertel gingen. Seit er jenen Frauen sein Geheimnis gebeichtet hatte, lebte er in ständiger Angst. Vergeblich versuchte er sich einzureden, dass dafür kein Anlass bestand. Nur eines überwog die Furcht, entdeckt und der Sodomie angeklagt zu werden: der Wunsch, Venanzios Tod aufzuklären. Sollte er erfahren, wer ihm den Schädel eingeschlagen hatte, würde er dem Mörder, ohne zu zögern, dasselbe Schicksal bereiten, obwohl das ewige Verdammnis bedeutete.
Er eilte den dreien hinterher. Sie konnten noch nicht weit sein, da sie zu Fuß unterwegs waren. Vielleicht gelang es ihm ja, rechtzeitig ins Kloster zurückzukehren, ehe seine Abwesenheit entdeckt würde.
»Wer ist der Tote?«, fragte Mondino.
Der Capitano del Popolo drehte sich um und starrte ihn an, ehe er antwortete. Trotz des langen roten Talars und des mit Eichhörnchenfell verbrämten Mantels wirkte Mondino nicht so verweichlicht wie viele andere Professoren. Er war groß, schlank und stark und konnte bei einem Handgemenge für einige unangenehme Überraschungen sorgen.
Daher hatte er die Falle mit größter Sorgfalt gestellt.
»Das ist mir nicht bekannt«, sagte er, ohne seinen Schritt zu verlangsamen. »Ich weiß nur, dass er sich hinter der Kirche Sant’Isaia befindet.«
Selbstverständlich gab es gar keinen Toten, das war nur ein Vorwand, um Mondino dazu zu bringen, ohne große Umstände mitzukommen.
Visdomini hatte in dieser Nacht schlecht geschlafen, denn er wurde von einem säuerlichen Brennen im Magen gequält, das nicht einmal sein Verdauungstrunk zu lindern vermochte. Doch als er dann am Morgen das Haus verlassen hatte, um zu tun, was er tun musste, da es für ihn jetzt keinen Weg zurück mehr gab, hatte ihn jene merkwürdige Ruhe überkommen, die er schon ein paar Mal in der Schlacht gespürt hatte, wenn er sich ganz in die Hand Gottes begab und, ohne nachzudenken, den Schwertern der Feinde entgegenstürmte.
Diesmal jedoch erwartete ihn etwas, das zumindest für ihn weit schlimmer war als eine Schlacht: ein kaltblütiger Mord. Sogar zwei Morde, da sich auch Mondinos Freund, der ehemalige Tempelritter, zu ihnen gesellt hatte.
Als er bemerkt hatte, dass der ihnen folgte, hatte er seine Enttäuschung zunächst kaum verbergen können, aber dann hatte er überlegt, dass es besser so war. Zwei Fliegen auf einen Streich, so hieß es doch im Sprichwort. Sie selbst waren zu dritt, bewaffnet, und sie hatten die Überraschung auf ihrer Seite. Mondino und Gerardo da Castelbretone waren zu zweit und unbewaffnet. Es würde keine Schwierigkeiten geben.
»Wir denken, dass hinter diesen Opfern des Feuers eine heidnische Sekte steckt«, sagte Gerardo. »Sie beten Mithras an, einen alten persischen Gott der Sonne und des Feuers.«
»Meint Ihr wirklich? Das klingt unglaublich.«
»Wir haben auch schon eine Vorstellung, wo sich ihr geheimer Tempel befindet«, sagte Gerardo. »Wir haben nur darauf gewartet, etwas genauer darüber Bescheid zu wissen, ehe wir Euch unterrichten wollten, aber da es einen dritten Toten gibt, sollte man vielleicht alle Häuser in der Gegend rund um das Märtyrerkreuz überprüfen. Bestimmt werden sich einige Leute deswegen aufregen, aber das Wohl der Stadt geht vor, meint Ihr nicht auch?«
»Sicher. Darüber werden wir uns später in Ruhe unterhalten, jetzt lasst uns gehen. Das Haus ist nicht mehr weit.«
Er wollte so wenig wie möglich sagen, um sich nicht in Widersprüche zu verwickeln. Die Kirche Sant’Isaia würden sie nie erreichen.
Der Capitano del Popolo hatte diese Gegend ganz bewusst ausgewählt, aus zwei Gründen: Sie war nicht weit entfernt von der Basilika San Francesco, in der er Mondino seines Wissens mit Sicherheit antreffen würde, und er kannte den geeigneten Ort für den Hinterhalt, ein Grundstück, auf dem ein Wohnhaus errichtet werden sollte und das sich an einer Stelle befand, wo der Weg nur durch Felder und an der Stadtmauer entlangführte. Mit ein wenig Glück würde
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