Die Bruderschaft des Feuers
seinem kahlen Kopf gegen die Steine am Straßenrand prallte, und zog einen Dolch unter dem Gewand hervor.
Er war also doch nicht unbewaffnet.
Visdomini hatte bis zuletzt gehofft, dass er sich nicht die Hände schmutzig machen müsste. Zwei gut gezielte Dolchstöße, und alles wäre im Nu erledigt gewesen. Stattdessen mussten diese beiden Dummköpfe nun am eigenen Leib erfahren, dass guter Wille nicht ausreichte, um ein zuverlässiger Meuchelmörder zu sein. Mondinos Angreifer hatte sein Kurzschwert fallen lassen und hielt dem Gegenangriff des Arztes, der ihn mit Fausthieben und Fußtritten traktierte, nur mit Mühe stand. Der Gewürzkrämer war nur noch am Leben, weil Gerardo ihn entwaffnen wollte, anstatt ihn zu töten, aber er würde nicht mehr lange durchhalten.
Visdomini überwand seine Skrupel wegen der ehrlosen Tat, die er im Begriff war zu begehen, zückte sein Kurzschwert und schickte sich an, Gerardo von hinten zu durchbohren. Er war der Gefährlichere von beiden, um den Arzt würde er sich später kümmern.
Da traf ihn ein heftiger Stoß in den Rücken, sodass er zwei Schritte weiter zu Boden fiel.
An den Ärmeln einer Franziskanerkutte und einer blonden Locke über seinem Gesicht erkannte er, wer ihn von hinten überrascht hatte.
»Bruder Samuele!«, rief er aus. »Lass mich. Es sind die anderen, die du …«
»Ich habe gesehen, was du vorhattest, verfluchter Schurke!«, schrie der junge Mann mit erstickter Stimme. »Du hast ihn getötet! Du hast Venanzio getötet!«
Der Mönch hatte sich in seinem Rücken verkrallt wie ein wütender Kater, zerkratzte ihm das Gesicht, biss ihm in den Hals und versuchte zu verhindern, dass Visdomini wieder aufstand. Der Capitano del Popolo sah nichts als ein zappelndes Gewühl aus Händen und Füßen. Alles war verloren. Selbst wenn sie noch siegten, würde der Pater ihn bestrafen und ihm nach einer solchen Stümperei nicht mehr vertrauen. Es blieb nur ein Ausweg: alle zu töten, Freunde wie Feinde. Dann würde er die Ereignisse nach Belieben schildern können, und niemand könnte ihm mehr widersprechen. Mit wütender Entschlossenheit gelang es ihm, den Mönch mit dem Ellenbogen in die Rippen zu treffen, und er nutzte den Moment, als dieser nach Atem rang, um sich ruckartig umzudrehen und ihm das Kurzschwert in den Bauch zu stoßen.
»Was zum Teufel tut Ihr da?«, schrie Mondino hinter ihm. »Der Mönch ist auf unserer Seite!«
Instinktiv wandte Visdomini den Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kam, und der junge Mönch nutzte die Gelegenheit, um ihm in die Hand zu beißen. Von dem Moment an lief alles durcheinander. Hände, Arme, Stimmen … Erst als er einen heftigen Schmerz in der rechten Seite spürte, begriff der Capitano del Popolo, dass ihm Samuele irgendwie das Kurzschwert entwunden und ihn tödlich verwundet hatte.
Denn dies war ihm sofort klar. Er hatte zu viele Verletzungen gesehen, um nicht zu erkennen, dass diese hier zum Tode führte. Er krümmte sich, sank mit der verletzten Seite auf den Boden und fühlte beinahe so etwas wie Erleichterung. Eine Handbreit vor seinem Gesicht sah er das von Samuele, der ebenfalls im Sterben lag.
»Du hast doch meinen Venanzio ermordet?«, fragte der Mönch flehend.
Er hatte eine Todsünde begangen und wollte wenigstens sicher sein, dass er den Richtigen getötet hatte.
Aus irgendeinem Grund, er wusste selbst nicht so genau, warum, empfand Visdomini Mitleid mit ihm und wollte ihn beruhigen. »Du hast deine Rache gehabt«, murmelte er. »Stirb in Frieden.«
Der Mönch starrte ihn an, versuchte noch etwas zu sagen und hauchte mit weit geöffneten Augen sein Leben aus. Der Capitano versuchte vergeblich, sich umzudrehen. Zwei feste Hände packten ihn an den Schultern und drehten ihn auf den Rücken. Er erkannte Mondino über sich.
»Die anderen beiden?«, stammelte er.
»Sind tot«, erwiderte der Arzt düster. »Sagt jetzt nichts, wir müssen …«
»Verschwendet keine Zeit mit mir«, röchelte Visdomini. »Ich bin verloren. Ihr müsst die Stadt retten. Der Brand ist vorverlegt worden, er wird morgen Nacht ausbrechen.«
Erst jetzt begriff er, was er tun musste. Jetzt, da er sich nicht mehr um seine Laufbahn, sein Alter, ums Überleben sorgen musste, kam die Wahrheit frei und leicht erkennbar ans Licht. Wenn eine Religion sich auf Mord und Unterdrückung gründete, konnte es nicht die wahre sein. Das galt sowohl für seinen alten als auch für seinen jetzigen Glauben. Es war verrückt, den Tod anderer
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