Die Bruderschaft des Feuers
viel Zeit widmen, Vater«, sagte er und versuchte, verständnisvoll zu klingen. »Euer Zustand verdient jedoch größere Aufmerksamkeit. Sobald es mir möglich ist, werde ich zu Euch kommen und Euch gründlich untersuchen.«
Der Prior bedankte sich und entfernte sich, ein wenig enttäuscht, weil keine Untersuchung stattgefunden hatte, aber zufrieden mit dem Versprechen, dass er ihm bald die gebührende Aufmerksamkeit zuwenden würde. Mondino gestattete sich ein Lächeln. Endlich einmal war es ihm gelungen, sich einen lästigen Patienten auf die richtige Art vom Halse zu schaffen, ohne dass er sich zu Zorn oder Ungeduld hatte verleiten lassen.
Schließlich kam der Schlosser. Mondino erklärte ihm, was vorgefallen war, dann ließ er ihn allein, damit er das Schloss austauschen konnte, und machte sich in aller Eile auf zum Palazzo des Podestà.
Es war an der Zeit, deutliche Worte mit Taverna Tolomei zu wechseln. Die Idee, dass er Bertrandos Leiche untersuchen sollte, stammte von ihm, er hatte Mondino praktisch gezwungen, also musste er jetzt nach deren Verschwinden die Angelegenheit mit Azzone regeln.
Als er die Stadtmauer beim Palazzo des Podestà erreichte, auf der alle Arten von Waffen aufgemalt waren, die man in der Stadt nicht tragen durfte, von scharfen Messern über Wurfspeere zu Eisenknüppeln, sah er Azzone Lamberti, der gerade mit finsterem Gesicht und zusammengepressten Kiefern zwischen den Wachposten am Eingang herauskam.
Mondino hatte ihn seit jenem verhängnisvollen Tag vor zwei Jahren nicht mehr gesehen, als der Seidenhändler ihn aus dem Hause gejagt und ihm eine Handvoll Münzen als sein Honorar hinterhergeworfen hatte. Er schien nicht um einen Tag gealtert. Die blonden Haare fielen ihm bis auf die Schultern. Er trug einen schwarzen, mit Wolfsfell besetzten Samtmantel, unter dem eine lange grüngelbe Seidentunika vorsah, die ihm bis zum Oberschenkel reichte. Seine Beine steckten in schwarzen Beinlingen aus feiner Wolle und knöchelhohen Stiefeln.
Azzone war groß und bewegte sich elegant, seine schnellen Reaktionen machten ihn zweifellos in einem Kampf zu einem gefährlichen Gegner. Um seinen Mund lag ein grausamer Zug, selbst dann, wenn er lächelte. In diesem Moment drehte er sich um, erkannte ihn sofort, und mit einer geschmeidigen Bewegung änderte er seine Richtung und kam direkt auf ihn zu, als wollte er ihn über den Haufen rennen. Mondino wollte schon instinktiv zurückweichen, doch dann beherrschte er sich und blieb stehen. Sollte Azzone ihn doch als Erster angreifen, er würde schon einen würdigen Gegner finden, ebenso wie die erhitzten jungen Männer vorhin.
Der Seidenhändler stürzte sich auf ihn und wollte ihn schon bei der Kehle packen, doch dann ließ er die Hände sinken und rang sichtlich um Beherrschung. »Ihr habt die Leiche meines Vaters verschwinden lassen«, knurrte er leise.
»Das war nicht ich«, erwiderte Mondino. »Der Podestà hat Euch bestimmt gesagt …«
»Er hat mir gesagt, Ihr hättet sein Vertrauen missbraucht, genau wie damals meines«, unterbrach ihn Azzone. »Und er hat mir selbst geraten, Anzeige gegen Euch zu erstatten, was ich sogleich getan habe.«
Mondino war von dieser Mitteilung nicht unbedingt überrascht. Ein solches Verhalten war dem Podestà durchaus zuzutrauen. Er sah Azzone fest in die Augen. »Ich trage keine Schuld an dem Umstand, dass Bertrandos Leiche geraubt wurde, während er sich in meiner Schule befand«, stieß er durch die zusammengepressten Zähne hervor. »Die Tür war abgeschlossen, man kann mich nicht der Nachlässigkeit beschuldigen. Hütet Euch also, ehe Ihr haltlose Anschuldigungen äußert.«
Bei diesen Worten zuckte Azzones rechte Augenbraue. »Haltlose Anschuldigungen?«, fuhr er ihn an und senkte die Stimme ab, dass nur Mondino ihn hören konnte. »Ich habe ein wichtiges Geschäft unbeendet gelassen, um nach Bologna zu eilen und meinem Vater die letzte Ehre zu erweisen, und als ich hier ankomme, muss ich feststellen, dass Ihr gegen mein ausdrückliches Verbot in meinem Haus gewesen seid und seine Leiche mitgenommen habt, um ihn wie ein Kalb auf der Schlachtbank aufzuschneiden. Und schließlich habt Ihr ihn auch noch verschwinden lassen, ganz bestimmt wolltet Ihr so verbergen, was Ihr mit ihm angestellt habt.«
»Keineswegs!«, erwiderte Mondino und spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg. »So ist es nicht gewesen, und Ihr könnt mir nichts vorwerfen!«
»Ich sage Euch nur eins«, zischte Azzone, immer noch mit
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